Bei dem 3,1 Hektar großen Gelände handelt es sich um den letzten erhaltenen Seegrenzschlachthof Deutschlands. Was genau ein Seegrenzschlachthof ist, erklären wir in diesem Artikel.
Über die Fläche des Geländes sind mehrere Hallen verteilt, die jedoch bereits durch starken Vandalismus in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Das Gelände ist nicht öffentlich zugänglich und seit 2006 verlassen. Es gibt außerdem einen beauftragten Wachdienst, der das Gelände gelegentlich besucht. Das Gelände ist von anliegenden Gebäuden gut einsehbar. In der Vergangenheit gab es bereits Polizeieinsätze, weil Anwohner Leute auf dem Dach sahen.
Was ist ein Seegrenzschlachthof?
Der Bedarf für Seegrenzschlachthöfe entstand durch das 1926 erlassene Importverbot für Lebendvieh über die blaue Grenze. Dabei stand der Seuchenschutz als oberste Priorität, sodass keine Krankheiten auf andere Tiere übertragen werden konnten. Natürlich wurden weiterhin Tiere importiert, diese wurden jedoch direkt unter den folgenden Kriterien weiterverarbeitet:
- Die Anlagen befanden sich in der Nähe des Hafens, sodass kein Kontakt zum landeseigenen Vieh bestand. Außerdem durfte auf dem Weg zum Schlachthof kein öffentlicher Weg und keine Eisenbahnstrecken gekreuzt werden. Dafür mussten an einigen Stellen sogar Brücken als Transportwege gebaut werden, sodass die Maßnahmen erfüllt wurden.
- Das Gelände musste nach außen abgeschirmt sein und über eine eigene Wasserversorgung mit Kanalisation verfügen. Zusätzlich musste gute Beleuchtung installiert sein und die Gebäude in allen Bereichen leicht zu desinfizieren sein.
- Alle Maschinen, die zur Fleischverarbeitung genutzt wurden, mussten sich auf dem Gelände befinden.
- Alle Arbeitskräfte mussten vorgeschriebene Schutzkleidung tragen, die das Gelände nicht verlassen durfte. Zusätzlich mussten sich Mitarbeiter nach jeder Schicht ausgiebig desinfizieren.
- Alle organischen Stoffe, die von den Schiffen zusammen mit dem Vieh entladen wurden, mussten unter polizeilicher Aufsicht vernichtet werden. Dazu zählten zum Beispiel Strohballen und Futter. So sollte es keine Möglichkeit geben, wie Seuchen übertragen werden konnten.
Die Vorschriften der Regelung sollten das mögliche Einschleppen von Seuchen verhindern und so den landeseigenen Viehbestand schützen. Man kam nur auf das Gelände gegen Vorlage eines Ausweises, der von der Veterinärpolizei ausgestellt wurde, beim Pförtner.
So kamen die Tiere in den Schlachthof
Wie der Name Seegrenzschlachthof bereits erschließen lässt, wurden die Tiere mit Schiffen importiert. Die ehemalige Anlegestelle ist auch heute noch erhalten und wurde inzwischen zu einem Anleger für Yachten umgebaut. Früher befand sich hier die Zollgrenze mit einem eigenen Stall, welcher heute eine Garage ist.
Vom Viehhof-Kai im Wallhafen ging es auf einer Viehdrift (Weg für Vieh) unter den Gleisen der Hafenbahn entlang zu den Quarantäneställen. Von diesen ist leider nur noch der Schweinestall übrig. Ein zweiter Stall, der für Rinder diente, ist bereits abgebrannt. Der Schweinestall ist heute ein Firmensitz und hat somit eine neue Verwendung gefunden.
Direkt nach der Quarantäne wurden die Tiere dann mit dem Viehdrift über die Gleise hinweg geführt. Von dieser Brückenkonstruktion sind nur noch der Anfang und das Ende vorhanden. Das Stück in der Mitte wurde abgerissen. Auf der anderen Seite befinden wir uns dann bereits auf dem Gelände des Schlachthofs.
Werdegang des verlassenen Seegrenzschlachthofes
Rückblickend auf eine Geschichte, die bis in die Zeit des ersten Weltkrieges zurückreicht, gibt es interessante Hintergründe über den ehemaligen Seegrenzschlachthof in Lübeck.
Vergangenheit des Seegrenzschlachthof Lübeck
Der erste Schlachthof Lübecks wurde im Jahre 1883 an der Schwartauer Allee erbaut. Im Laufe der Jahre wurde immer mehr geschlachtet und die Produktionskapazitäten wurden stetig erweitert. Zu Zeiten des 1. Weltkriegs wurden zeitweise etwa 164.000 Tiere pro Jahr geschlachtet.
Im Jahre 1927 trat eine Seuchenschutz-Verordnung in Kraft, welche strikte räumliche Trennungen von eingeführtem Schlachtvieh vorraussetzte. Dazu wurden im gesamten Deutschen Reich in einigen Nord- und Ostseehäfen spezielle Seegrenzschlachthöfe, wie auch dieser in Lübeck, errichtet.
Der Lübecker Seegrenzschlachthof wurde angrenzend an den bereits bestehenden städtischen Schlachthof zwischen 1928 und 1929 erbaut. Der Preis der Baumaßnahmen betrug ungefähr 1,9 Millionen Reichsmarkt. Der Seegrenzschlachthof Lübeck ist der einzige noch erhaltene seiner Art in Deutschland und wurde 2016 unter Denkmalschutz gestellt.
Zukunftspläne für den Schlachthof Lübeck
Der Schlachthof ergibt aufgrund seiner Lage mit hafennähe ein attraktives Grundstück für Investoren. Dementsprechend gibt es viele Pläne für eine Umgestaltung des Geländes. Seit der endgültigen Schließung im Jahre 2006 wird um eine Neuverwendung gestritten.
Dabei gibt es einige Interessenten, die unterschiedlichste Pläne mit dem Gelände habeb. Der erste Interessant war ein Investor, der das Gelände bereits erworben hatte, um es in eine Wohn- und Gewerbegebiet umzuwandeln. Die Stadt Lübeck hatte mit der Größenordnung aber ein Problem, sodass sie das Vorhaben des Investors jahrelang ausbremste. Zuletzt wurden Baumaßnahmen durch den 2016 eingetragenen Denkmalschutz erschwert.
2018 wurde das gesamte Gelände dann von Kaufland erworben. Die Discounterkette plante, auf dem Gelände eine Filiale zu errichten. Die Stadt bevorzugt jedoch einen reinen Wohnungsbau, sodass es erneut zu Streitigkeiten und Kompromisssuchen kam.