Die aufgegebene Zeche Niederberg in Neukirchen-Vluyn umfasste mehrere Schächte an, die im Ruhrgebiet in Nordrhein-Westfalen verteilt waren – heute ist sie ein Lost Place.
Gründung der Zeche Niederrheinische Bergwerksgesellschaft
Abbau-Regionen wurden früher in Grubenfelder unterteilt, die von einer Gesellschaft verwaltet wurden, wie auch das spätere Feld der Zeche Niederberg. Das Feld gehörte dank einer Vierteilung 1873 also jeweils einer großen Gewerkschaft. Die drei Gewerkschaften Süddeutschland, Ernst Moritz Arndt und Großherzog von Baden schloßen sich 1911 zusammen und gründeten am 16.09.1911 die Niederrheinische Bergwerks-Gesellschaft mbH, die auf einer Fläche von 49,1km2 des ursprünglichen Grubenfeldes agieren durfte. Damit war der erste Schritt getan, um mit der Abteufung zu beginnen.

Teufung Schacht 1 (Moers)
Ein Jahr nach der Gründung der Bergwerks-Gesellschaft, wurde 1912 mit den Teufarbeiten des ersten Schachts Moers 1 begonnen. Die Zeche Niederberg war die letzte größere Schachtanlage am Niederrhein, die abgeteuft wurde.

1913 trat die Niederrheinische Bergwerks-Gesellschaft mbH dem Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikat bei. Zu Zeiten des Ersten Weltkriegs verzögerten sich die Arbeiten an Schacht 1.
Ein Jahr nachdem 1914 die Karbon-Ebene auf einer Teufe von 228 Metern erreicht werden konnte, setzte man auf einer Teufe von 387 Metern die 1. Sohle des Schachts Moers 1 an und eine zweite Sohle folgte kurz darauf auf 470 Metern.
Bei Teufarbeiten wurde mithilfe großer Teufkübel, wie auf dem Bild zu sehen, das abgebaute Gestein gefördert. Zusätzlich musste zum Abteufen der Schächte von Zeche Niederberg ein spezielles Gefrierverfahren eingesetzt werden. Das war notwendig, um Teufarbeiten auf den wasserführenden Schichten durchführen zu können.
Nachdem die nötige Infrastruktur gebaut worden war, konnte am 1.10.1917 das erste Material gefördert werden.
- Karbon-Ebene: 228 Meter
- Sohle 1: 387 Meter
- Sohle 2: 470 Meter
- Sohle 5: 1162 Meter
- Durchmesser: 6,0m
1920 waren alle Betriebsgebäude der Zeche Niederberg fertiggebaut. Zur Zeche Niederberg gehörte auch ein eigenes Zechenkraftwerk. Das Kraftwerk stellte die notwendige elektrische Energie für den Betrieb des Zechenbetriebs bereit. Ab 1924 speiste dieses seinen überschüssigen Strom in das Netz der RWE ein.
Umfunktionierung zum Wetterschacht
1977 wurde die Kohlenförderung an Schacht 1 eingestellt. Fortan diente er als Materialförderschacht (für Ausrüstung) sowie der Seilfahrt. Damit der Schacht besser für seine neue Aufgabe als Materialförderschacht genutzt werden konnte, begann 1985 eine Modernisierung seiner Förderanlagen, die bis 1987 dauerte und bei der Schacht 1 eine neue Fördermaschine (zur Bewegung der Seile) und auch ein neues Fördergerüst erhielt.
Seine 4. Sohle wurde 1987 mit der benachbarten Zeche Friedrich Heinrich verbunden. Um keinen weiteren Wetterschacht für die neue Verbindung teufen zu müssen, wurde das Grubengebäude einem Wetterverbund mit den Bergwerken Friedrich Heinrich, Walsum und Rheinland angeschlossen.
Ebenfalls 1987 wurde mit den Arbeiten an der 5. Sohle begonnen, die sich in einer Teufe von 1162 Metern befand.
Die Bedeutungen diverser Begriffe aus dem Bergbau erklären wir in einem späteren Absatz des Artikels.
Teufung Schacht 2
1913 wurde mit der Abteufung des zweiten Schachts begonnen, der 1916 sein Karbon erreichte und im Jahr 1919 bis zur zweiten Sohle in Betrieb genommen wurde.
Für Schacht 2 wurde 1923 ein Fördergerüst von 36 Metern Höhe aus Stahlstreben errichtet.
1950 wurde der Schacht erweitert und tiefer geteuft, sodass 1951 bei einer Teufe von 630 Metern die 3. Sohle angesetzt werden konnte. Die Teufarbeiten liefen weiter, bis 1952 auf 780 Metern die 4. Sohle angesetzt wurde.
- Sohle 1: 356 Meter
- Sohle 2: 350 Meter
- Sohle 3: 630 Meter
- Sohle 4: 780 Meter
Im Zuge einer umfangreichen Modernisierung erhielt Schacht 2 im Jahr 1984 eine neue Kaue.
Bergwerksjargon: Teufung, Karbon und Sohle
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Entwicklungen nach dem Ersten Weltkrieg
Zum 01.01.1923 wurde aus der Niederrheinischen Bergwerks-Gesellschaft mbH die Niederrheinische Bergwerks-Aktiengesellschaft mit Sitz in Neukirchen bei Moers mit einem Grundkapitel von 105 Millionen Mark.
1924 erhielt die Zeche Niederberg eine eigene Brikettfabrik, um gefördertes Kohlematerial noch vor Ort zu verkäuflichen Produkten zu verarbeiten. Damit zählte die Zeche zu den „Hausbrandzechen“ des Ruhrgebiets.
Jene Hausbrandzechen hatten größtenteils private Abnehmer, was ihnen einige Jahre später, als sich Heizöl etablierte, schlechte Absätze verursachte.
Neue Schächte und die Modernisierung der Zeche Niederberg
Im Jahr 1953 wurde eine Kohlenwäsche für Anthrazitkohle in Betrieb genommen, mit deren Hilfe abgebaute Kohle von ungewollten „Bergen“ (Verunreinigungen) getrennt werden konnte.
1954 begannen die Arbeiten an Schacht 3 in Moers-Kapellen, der 1957 die Förderung aufnahm. Nachdem im Jahr 1955 in Schacht 3 die Wettersohle angesetzt angesetzt und 1955 ein Durchschlag auf der 2. Sohle zum Baufeld 1/2 hergestellt worden war, diente der Schacht fortan als Wetterschacht und wurde für die Seilfahrt und die Materialförderung genutzt.
1959 wurde mit den Teufarbeiten an Schacht 4 in Kempen-Tönisberg begonnen, der 1963 Schacht in Betrieb genommen wurde. 1969 folgte Schacht 5, der 1977 die volle Förderung aufnahm und fortan als Zentralförderschacht diente. Dieser befand sich in unmittelbarer Nähe, nördlich der ersten zwei Schächte, weshalb der Zechenkomplex in Neukirchen-Vluyn auch Zeche Niederberg 1/2/5 genannt wurde.
Weitere Modernisierungen ab 1977
Im Jahr 1977 wurde im Schacht 5 die zweite Förderung eingerichtet und der Schacht erweitert. Dieser war nun mit zwei Vierseil-Förderanlagen ausgestattet.
Der alte Schacht 2 und eine neue Kaue wurden 1984, Schacht 1 1987 wieder mit neuem Fördergerüst und neuen Fördermaschinen in Betrieb genommen. Die Schächte 3 und 4 wurden fortan nur noch als reine Wetterschächte benötigt.
Unfälle in der Zeche Niederberg
Ein tragischer Unfall durch eine Schlagwetterexlposion, bei sich Gas untertage entzündete, kostete 1958 acht Bergleute das Leben.
Zur Förderung wurden untertage auf den Fördersohlen Diesellokomotiven verwendet, welche Förderwagen mit einem Fassungsvermögen von 2400 und 5000 Litern bewegten. In den Abbaustrecken erfolgte die Kohlenförderung über Förderbänder, während Material und Ausrüstung mittels Einschienenhängebahnen (Wagons, die über Schienen an der Decke bewegt wurden) und Flurförderbahnen getätigt wurde.
Untertage war es wichtig, nur Material, das sicher in der explosionsgefährdeten Umgebung genutzt werden konnte, einzusetzen. Dennoch wurden am 13. August 1999 bei Reparaturarbeiten an einer Diesellokomotive der Einschienenhängebahn drei Bergleute durch eine Explosion getötet.
Förderleistung der Zeche
Jahr | Förderleistung (Tonnen) | Personal (Beschäftigte) |
1912 | – | 39 |
1917 | 7.443 | 329 |
1920 | 140.456 | 906 |
1925 | 387.000 | 1310 |
1930 | 582.000 | 1795 |
1935 | 622.638 | 1281 |
1940 | 964.000 | 1870 |
1945 | 307.000 | 1515 |
1950 | 905.312 | 3041 |
1955 | 1.397.669 | 4323 |
1960 | 2.039.945 | 4940 |
1969 | 2.736.376 | 4778 |
1975 | 2.916.580 | 4403 |
1980 | 2.789.235 | 4284 |
1985 | 2.772.195 | 4139 |
1990 | 2.559.721 | 3613 |
1998 | 2.153.731 | 2705 |
2000 | 1.998.000 | 1964 |
1998 erzielte Niederberg die höchste Fördermenge pro Mann in einer Schicht: 9 Tonnen bei einem Durchschnitt von 6 t im deutschen Steinkohlenbergbau.
Siedlungen der Zeche Niederberg Neukirchen-Vluyn
Da viele die Zeche Niederberg viele Gastarbeiter beschäftigte, die vorwiegend aus Polen und Oberschlesien stammten, wurde Wohnraum benötigt. Diesen boten zwei eigens für die Zeche errichtete Zechenkolonien. Die erste Siedlung entstand zwischen 1917 und 1925. Eine zweite Siedlung wurde zwischen 1926 und 1930 gebaut.
Die Zeche Niederberg und ihre letzten Jahre
Die Zeche Niederberg in Neukirchen-Vluyn zählte zu den letzten aktiven Steinkohlenbergwerken am westlichen Rand des Ruhrgebiets. In den 1990er Jahren wurde zunehmend deutlich, dass der deutsche Steinkohlenbergbau vor dem Aus stand. Trotz moderner Fördertechnik war die Kohlegewinnung in Deutschland im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig, da die heimische Förderung deutlich teurer war als der Import von Steinkohle. Im Jahr 1988 betrug die Fläche des Zechengebiets rund 120 km2.
Im Rahmen politischer Entscheidungen zum strukturierten Rückzug aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau wurde auch Niederberg in die Ausstiegsplanung der RAG AG (Ruhrkohle AG) einbezogen. Die Kohlerunden zwischen Bundesregierung, RAG und Gewerkschaften führten dazu, dass Niederberg schrittweise Personal abbaute und die Förderung zurückfuhr.
Am 28. Dezember des Jahres 2001 wurde die Förderung auf der Zeche Niederberg eingestellt und die Zeche zum Ende des Jahres endgültig geschlossen. Seither ist das umfangreiche, verlassene Zechengelände ein Lost Place.
Die Zeche nach der Schließung
In den Jahren 2002 bis 2005 erfolgte der technische Rückbau der bergbaulichen Anlagen auf dem Lost Place. Die Schächte wurden verfüllt und dauerhaft gesichert, nicht mehr benötigte Gebäude abgerissen. Wenige Gebäude und die Fördertürme wurden allerdings stehengelassen. Gleichzeitig wurde das Gelände von der RAG Montan Immobilien GmbH übernommen, welche die Flächen auf eine neue Nutzung vorbereitete.
Ab 2005 rückte die verlassene Zeche bezüglich Denkmalschutz stärker in den Fokus. Teile der historischen Bergwerksarchitektur, darunter die markanten Fördergerüste und Maschinenhäuser, wurden unter Schutz gestellt. Die zwei Fördermaschinenhäuser der Fördertürme, liegen jeweils südlich der Gerüste und das zentrale Maschinenhaus liegt dazwischen. Ziel war es, das industrielle Erbe zu bewahren und gleichzeitig eine neue, zukunftsgerichtete Nutzung zu ermöglichen.
Im weiteren Verlauf – besonders ab 2009 – begannen konkrete Planungen für das „Niederberg Areal“. Das verlassene Zechengelände sollte in ein urbanes Mischquartier aus Wohnen, Gewerbe, Kultur und Freizeit umgewandelt werden. Erste bauliche Umgestaltungen und Erschließungen wurden umgesetzt. Das Areal wurde zudem in den Emscher Landschaftspark eingebunden, was eine ökologische und landschaftliche Aufwertung bedeutete.
Seit den 2010er-Jahren wird das Gelände schrittweise umfunktioniert und teilweise für Veranstaltungen genutzt. Die verlassene Zeche Niederberg ist heute auch Teil der Route der Industriekultur, die bedeutende Industriedenkmäler des Ruhrgebiets miteinander verbindet.
Zukunft des verlassenen Zechen-Geländes
Die Stadt Neukirchen-Vluyn hat ein Konzept für einen neuen Flächennutzungsplan vorgestellt, nachdem die zwei Fördergerüste der Schächte 1 und 2 sowie ihre Maschinenhäuser erhalten bleiben sollen. In unmittelbarer Nähe sollten kleinere und großflächige Gewerbeflächen entstehen, im Süden und Nord-Osten des Geländes sollten neue Wohnräume entstehen. Der Baubeginn des nördlichen Wohngebiets hat bereits begonnen und das Konzept eines Landschaftsparks wurde 2021 realisiert.