Eine Klappe im Boden geöffnet, erblicken wir darunter einen etwa fünf Meter tiefen Schacht, in dem viel Wasser von der Decke auf den gefluteten Boden tropft, der zum verlassenen Wetterschacht 9 einer Zeche gehört. Wir stehen zwischen zwei Gebäuden über dem alten Wartungsschacht eines verlassenen Wetterschachts der Zeche Auguste Victoria, über Schacht 9. Eine solche verlassene Anlage hatten wir auch noch nicht in unserem Lost Place Portfolio.
Der verfüllte Wetterschacht 9 der Zeche Auguste Victoria liegt etwa 3km nördlich der Lippramsdorf Siedlung in einem Waldgebiet. Schacht 9 war ein Wetterschacht des Bergwerks Auguste Victoria, zu dem viele Anlagen gehörten, mit denen ein einigermaßen optimales Klima unter Tage für die Sohlen 5, 6 und 7 geschaffen wurde. Der Wetterschacht liegt nur knapp 3km von Auguste Victoria Schacht 8 entfernt, an dem Kohle abgebaut wurde.
Einrichtungen am Schacht 9 von Auguste Victoria
Auf dem versteckten Lost Place Areal, das mitten im Wald bei Haltern am See liegt, gibt es einige Einrichtungen, die zur Bewetterung unter Tage genutzt wurden. Zwei große Grubenlüfter waren wechselweise im Einsatz, um die schlechte Luft aus den Sohlen abzusaugen. Die Luft wurde verdichtet, gefiltert und in die Umwelt entlassen, während frische Luft durch einen zweiten Schacht durch Unterdruck und mit Turbinen in die Schachtanlage gedrückt wurde. Die Sohle von Wetterschacht 9 liegt auf -1257,4 Metern unter Normalhöhennull, also dem Meeresspiegel. Er wurde 1987 abgeteuft und 1990 als Seilfahrts- und Materialförderschacht sowie als Wetterschacht in Betrieb genommen. Die Seilfahrt war allerdings eher ein Notfallzweck, da die Anlage primär der Bewetterung (Abluft, Klimatisierung & Filterung) dienen sollte.
So sieht es im Wetterschacht 9 aus
Es ist nass, stickig und etwas kühl in dem dunklen Schacht, den wir jetzt hinabsteigen. Der geflutete Boden lässt sich mithilfe einiger Betonbrocken und einer halben Palette mit etwas Mühe überwinden. Wir passieren eine schwere, stählerne Drucktüre, die uns in einen dunklen Raum führt. Eine weitere Türe bringt uns in einen glatten, runden Gang aus Stahl, an dessen Ende wir direkt das Herzstück dieses Wetterschachts erblicken: ein riesiger Grubenlüfter.
Wie bereits erwähnt, gab es in der Wetteranlage Schacht 9 der Zeche Auguste Victoria sogar zwei Lüfter, die regelmäßig abgewechselt die Entlüftung der Sohlen 5, 6 und 7 unterstützten. Mehrere versetzte Turbinenscheiben, deren Rotoren sich verstellen ließen, führen dahinter an die Oberfläche des alten Schachts.
Uns fällt die aerodynamische Formung des großen Gangs, der in einen kleinen, runden Turm führt, auf. Wir stehen hier im Schachtkopf, der früher 1250 Meter in die Tiefe führte. Auf dem verfüllten Loch zu stehen gibt uns ein seltsames Gefühl, das wir noch auf keinem Lost Place zuvor gespürt hatten.
Zwar diente Schacht 9 primär der Bewetterung, dennoch war er mit zwei Fahrstühlen ausgestattet, mit denen bei Bedarf Seilfahrten für Mitarbeiter und Material durchgeführt werden konnten. Wir betreten den ersten Fahrstuhl, der mitten im Schachtkopf steht. Wir sind gerade mindestens zehn Meter unter der Erde. Von hier aus entdecken wir auch den zweiten Luftgang, der parallel zum ersten Kanal verläuft und gleich aufgebaut ist. Auch an seinem Ende befindet sich ein großer Rotor.
Ein alter Grubenfahrstuhl im Lost Place Schacht
Als wir den großen Fahrstuhl etwas genauer ableuchten stellen wir fest, dass wir gar nicht den ganzen Fahrstuhl sehen, sondern ein großer Teil einfach einbetoniert wurde. Vermutlich ist das bei der Verfüllung des Schachts passiert. Über eine verrostete Leiter und ein Plateau erreichen wir die obere Kabine des Förderkorbs und schließlich auch den oberirdischen Teil des Gebäudes über Schacht 9. Das Gebäude ist nicht sonderlich hoch, innen vielleicht knapp 15 Meter, was eine vertikale Positionierung der Fördermaschine ausschloß. Die Stahlseile des Förderkorbs wurden leider gekappt.
Nach ein bisschen Raten erschließen wir uns, dass die Fördermaschine, die ein langes Stahlseil und daran den Grubenfahrstuhl zog, neben dem Schacht gestanden haben muss. Eine Ausweitung des acht-eckigen Gebäudes legt die Vermutung nahe, dass hier einst die Fördermaschine stand, die heute leider fehlt. Eine Umlenkrolle können wir ebenfalls nicht mehr finden. Auf dem folgenden Bild lässt sich die ehemalige Position der Fördermaschine gut rekonstruieren.
Erst jetzt wird uns außerdem bewusst, dass wir von dem kleinen Gebäude, zu dem der Wartungsschacht gehört, unterirdisch in das größere (acht-eckige) Gebäude gegangen sind, das von außen nicht sonderlich groß wirkt. Hier finden wir noch einen Raum mit einem Steuerpult und mehreren Schaltschränken, die bereits völlig ausgeräumt und entkernt wurden. Auch Sprayer haben diesen Ort bereits für sich entdeckt.
Leider gibt es hier allgemein nicht viel mehr zu entdecken, da die meiste Einrichtung vermutlich bei der Verfüllung entfernt wurde.
Schließung der Zeche und Verfüllung des Schachts
Der Konzern BASF verkaufte das Bergwerk Auguste Victoria am 1. Januar 1991 an die Ruhrkohle AG (heute RAG Aktiengesellschaft). Mit RAG erlebte Auguste Victoria im Jahr 2000 eine Glanzzeit, in der mit 4003 Beschäftigten rund 3,54 Millionen Tonnen Kohle gefördert wurden.
2001 wurde ein Verbund aus Auguste Victoria und Bergwerk Blumenthal/Haard erschlossen, der fortan als Verbundbergwerk Auguste Victoria/Blumenthal agierte. Die Schächte Haltern 1 und 2 wurden ebenfalls an AV angeschlossen. 2016 wurden sie allerdings verfüllt und das Verbundbergwerk wurde daraufhin wieder Bergwerk Auguste Victoria genannt.
Rund 3800 Bergleute fanden bei Auguste Victoria ihre Arbeit, bis diese am 18. Dezember 2015 nach 116 Jahren Produktion für immer schloß. Nach Schließung der Zeche 2018, wurden die verbliebenen Schachtanlagen geschlossen, unter denen auch Schacht 9 war, der im Juli 2016 verfüllt wurde.
Fortan war das Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop bis zum 21. Dezember 2018 die letzte Zeche im Ruhrgebiet.