Eine verlassene Wurstfabrik in Gütersloh umfasst mehrere Verwaltungsgebäude und Produktionshallen und steht mitten in der Stadt.
Gründung und historische Entwicklung der Wurstfabrik
Die Marten Vertriebs GmbH & Co. KG, ein deutscher Nahrungsmittelhersteller, blickt auf eine lange und bewegte Geschichte zurück. Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1855 von Johann Friedrich Marten als Handwerksbetrieb. Im Jahr 1928 kauften die Brüder Fritz und Franz Blankemeyer den Betrieb und gründeten die Gütersloher Fleischwarenfabrik J.F. Marten GmbH. Der Umzug nach Gütersloh markierte den Beginn eines raschen Wachstums. Das Unternehmen erlangte Bekanntheit für seine Produktion von Rohwurst, Koch- und Brühwurst sowie Schinken und exportierte bald auch ins Ausland.
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich das Wachstum fort. Moderne Technik wurde eingeführt und die Belegschaft wuchs stetig. Marten etablierte sich als eines der größten Unternehmen der deutschen Fleischwarenindustrie und beschäftigte bis zu 550 Mitarbeiter.
Übernahme durch die Zur-Mühlen-Gruppe
Im Jahr 2017 übernahm die Zur-Mühlen-Gruppe, die zum Tönnies-Konzern gehört, den Wursthersteller Marten sowie den Tochterbetrieb Vogt & Wolf. Die Übernahme erfolgte in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld für Marten, das zur Notbremse gezwungen war. Nach der Übernahme wurde die Produktion 2018 an den Standort Herzebrocker Straße verlagert und an der Bismarckstraße eingestellt. Die betroffenen 90 Mitarbeiter wurden auf andere Standorte innerhalb des Konzerns verteilt.
Zukunftspläne und Kontroversen
Die Frage nach der zukünftigen Nutzung des ehemaligen Marten-Geländes in Gütersloh sorgt für unterschiedliche Ansichten. Die Familie Tönnies plant eine Investition von 60 Millionen Euro, um auf dem Gelände einen Mix aus 300 Wohnungen zu schaffen, der vom Penthouse bis hin zum sozialen Wohnraum reicht. Die Stadt Gütersloh hingegen bevorzugt einen städtebaulichen Wettbewerb, um verschiedene Nutzungskonzepte zu erarbeiten. Die Immobilienfirma der Familie Tönnies lehnt diesen Vorschlag ab und bezeichnet ihn als zeit- und kostenintensiv.
Ein Sprecher von Robert Tönnies betonte, dass beim Abriss der Fabrik die Umwelt so weit wie möglich geschont werden soll. Ein entsprechendes Gutachten wurde in Auftrag gegeben, um den Abriss optimal zu planen. Zusätzlich bestehen noch Verträge für Mobilfunkantennen auf dem Gelände, die bis 2021 beziehungsweise 2026 laufen und den Abriss verzögern.
Denkmalschutz und Stadtbild
Das Verwaltungsgebäude entlang der Moltkestraße gilt als ein prägnantes Beispiel der Baukultur der 1930er Jahre und ist im Denkmalpflegeplan der Stadt Gütersloh als erhaltenswert eingestuft. Die Familie Tönnies hat erklärt, dass es keine Pläne für einen Abriss des Bürogebäudes gibt und sie die Einschätzung der Stadt teilen, dass das Gebäude erhaltenswert ist. Das Gelände erinnert mit seiner Struktur aus Fabrik und Verwaltungsgebäuden an eine andere verlassene Fabrik am Niederrhein.
Städtische Planungen und Herausforderungen
Stadtsprecherin Susanne Zimmermann erklärte, dass aktuell keine aktive Planung für das Gelände betrieben wird. Die Stadt und die Eigentümerfamilie stehen jedoch in regelmäßigem Austausch und führen vorbereitende Analysen und Untersuchungen durch. Sowohl im Flächennutzungs- als auch im Bebauungsplan sind das Betriebsgelände und der zugehörige Parkplatz als Gewerbefläche ausgewiesen, weshalb vor einer Nutzungsänderung eine Anpassung dieser Pläne notwendig wäre.
Die Lage des Geländes an der Bismarckstraße, die täglich von rund 14.000 Fahrzeugen befahren wird, sowie am Marktplatz und in der Nähe der neuen Feuer- und Rettungswache stellt besondere Anforderungen an zukünftige Nutzungen des Areals. Der Bereich ist verschiedenen Lärmeinwirkungen ausgesetzt, die bei der Planung berücksichtigt werden müssen.
So steht es heute um die verlassene Wurstfabrik
Das Gelände der ehemaligen Wurstfabrik Marten in Gütersloh steht vor einer ungewissen Zukunft. Die Stadt Gütersloh und die Familie Tönnies verfolgen unterschiedliche Visionen für die zukünftige Nutzung des Areals. Während die Stadt einen städtebaulichen Wettbewerb bevorzugt, plant die Familie Tönnies eine umfassende Wohnbebauung. Der Ausgang dieser Diskussion wird die städtebauliche Entwicklung dieses zentral gelegenen Areals maßgeblich beeinflussen. Das Verwaltungsgebäude entlang der Moltkestraße bleibt als Zeugnis der Baukultur der 1930er Jahre erhalten und wird weiterhin das Stadtbild von Gütersloh prägen. Die dahinter gelegenen Produktionshallen stehen weiterhin leer. Im Erdgeschoss wurden Fensterscheiben mit Spanholzplatten verschlossen, während weitere Fenster im ersten Obergeschoss eingeworfen wurden. Hier haben sich Dritte offenbar über das Vordach Zutritt in das leerstehende Gebäude verschafft. Neben der Mauer blockieren Bauzäune den Zugang auf das Gelände der verlassenen Wurstfabrik.