Größte verlassener Schlachthof Deutschlands – der Schlachtbetrieb Vogler, befindet sich in der kleinen Gemeinde Luckau in Niedersachsen und ist in der Vergangenheit häufig Diskussionsthema gewesen. Der Lost Place hat eine chaotische Vergangenheit.
Das war der Schlachthof Vogler früher
Vogler Fleisch im wendländischen Steine gehörte einst zu den Top 5 der fleischverarbeitenden Betriebe Deutschlands. 2011 hatte das Unternehmen an seinen drei Standorten in Steine, Laatzen (seit 2008) und Bremen (seit 2009) insgesamt 1,94 Mio. Schweine im Jahr, 45.000 in der Woche geschlachtet, davon in Steine täglich bis zu 6.700.
Schlachthof auf der Suche Investoren
Schlachthof Vogler war in der Vergangenheit in finanzielle Schwierigkeiten geraten, weshalb 2016 mit starker Dringlichkeit nach neuen Investoren gesucht wurde. Nach dem „Planinsolvenz-Verfahren“, einem Schutzschirm Verfahren, das drei Monate lang ging und Vogler die Chance bot, Investoren zu finden, um nicht sofort in ein Insolvenzverfahren zu rutschen, ging das Unternehmen dann am 1. Januar 2016 insolvent. Die Schlachtungen seien zu dieser Zeit nur noch bei 20 % der normalen Stückzahlen gewesen.
In unserem Archiv gibt es bereits einen Artikel über einen verlassenen Schlachthof der Firma Tönnies, doch laut dem Insolvenzverwalter Voglers sei die Firma nicht für eine Übernahme infrage gekommen. Bereits früher sei sie aus kartellrechtlichen Gründen schon einmal mit einer Übernahme gescheitert.
Schlachthof Vogler: Übernahme des Geschäfts
Schließlich fand sich ein chinesischer Investor, welcher den Betrieb wieder hochfahren wollte, was zu großen Protesten führte. So lassen sich noch Spuren der Proteste an den Mauern des Schlachthofes finden, auf denen es Graffiti mit Worten wie „Mörder“ gibt.
Während nach Investoren gesucht wurde, sei der Betrieb in Steine noch zeitweise „stabil“ weitergelaufen, wenn auch geringer als gewünscht. Man hatte versucht, das Vertrauen der Lieferanten wiederzugewinnen, deren Zahlungen in der Vergangenheit teilweise ausgeblieben waren. Auch die Zahlungen an die Personalfirma, welche die Beschäftigten bezahlte, seien wieder sicher gewesen. Während der Suche nach Investoren gründete man eine neue Personalfirma, da die vorherige Firma aufgrund ausgebliebener Vogler-Zahlungen insolvent ging. Bei Vogler waren zu dieser Zeit 97 Mitarbeiter beschäftigt, in der Schlachtung und Zerlegung waren weitere rund 180 Mitarbeiter unter der Personalfirma tätig.
Ein solcher Investor fand sich schließlich und sollte den Betrieb übernehmen und wieder aufleben lassen. Nach Informationen aus dem Gemeinderat soll der Investor Huarong-Group Deutschland GmbH geplant haben, täglich 3.500 Schweine zu schlachten und das Fleisch dann nach China zu exportieren.
Huarong investiert in Hotels
Die Huarong Group Deutschland GmbH wurde nach Firmenangaben im April 2005 in Frankfurt am Main gegründet und hat dort ihren Sitz. Anteilseigner seien ausschließlich chinesische Investoren, die im Großraum Peking als Immobilienprojektentwickler tätig sind. Zweck der Firma ist die Errichtung von gewerblichen Immobilien und deren Verwaltung, insbesondere von Hotels.
Geldstrafen und Kontroversen rund um den Schlachthof
Insgesamt 4950 Euro Geldstrafe sollte ein ehemaliger Geschäftsführer des Schlachthofs Vogler in Steine bezahlen, weil er in 55 Fällen tonnenweise Rückenspeck falsch deklarieren ließ. Dazu hatte ihn die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stade in einem Prozess mit acht Verhandlungstagen verurteilt.
Die Richter folgten der Anklage der Staatsanwaltschaft, wonach der Ex-Geschäftsführer von Mai 2010 bis Ende Dezember 2011 das Fleisch falsch deklarieren ließ, um es über eine Kühlhausgesellschaft im Landkreis Gifhorn an eine Firma in die Ukraine zu verkaufen. Dabei sei Ware von anderen Schlachthöfen zugekauft worden, die in Steine zerlegt und mit falschen Zertifikaten versehen worden sei, um den Export zu ermöglichen. Die verhältnismäßig geringe Strafe von 4950 Euro bei 330 Tagessätzen ist dadurch begründet, dass der Verurteilte bei der Befragung zu seinen Einkünften erklärt hatte, dass er wegen der Insolvenz des Betriebes in Laatzen über keine Einkünfte verfüge.
Nach Berechnung der Staatsanwaltschaft soll die Firma Vogler Fleisch GmbH & Co. KG bei einer Menge von 834 Tonnen in insgesamt 57 Fällen, von denen 55 in das Urteil aufgenommen wurden, einen Bruttoerlös von 883 000 Euro erwirtschaftet haben. Mitte Juli 2014 hatte das Amtsgericht Oldenburg verfügt, dass dieser errechnete Gewinn von den Vogler-Konten zu beschlagnahmen ist. Das geschah etwa eine Woche später.
Die Firma Vogler hatte gegen die Beschlagnahme Beschwerde eingelegt, die das Landgericht Oldenburg Mitte November 2014 abgelehnt hatte. Auch ein zweiter Vogler-Versuch, beim Oberlandesgericht Oldenburg die Herausgabe des Geldes zu erwirken, scheiterte Ende April 2015. Dem Vernehmen nach sollten die 883 000 Euro an den vorläufigen Insolvenzverwalter überwiesen werden.
Gegen den Ex-Geschäftsführer aus Steine läuft noch ein Revisionsverfahren: Im August 2014 hatte ihn das Landgericht Stade zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt, weil er in 268 Fällen vorsätzlich gegen Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches verstoßen hatte. Der Mitangeklagte, nicht vorbestrafte ehemals enge Mitarbeiter kam mit einer Geldstrafe von 3000 Euro davon.
25.000 Schweine pro Woche für China-Export
Die Huarong-Group Deutschland GmbH, ein Tochterunternehmen eines chinesischen Großinvestors, hatte das Gelände gekauft, um wieder Schlachtungen durchzuführen. Deren Tochter Huahui Fleisch GmbH mit Sitz in Steine sollte den Betrieb führen. Ein Investitionsvolumen von ca. 40 Millionen Euro sei im Gespräch gewesen, nach dem die neue Anlage mit reduzierter Schlachtzahl von 25.000 Schweinen pro Woche betrieben werden sollte. Das Fleisch solle dann tiefgefroren nach China exportiert werden.
„Für unsere Gemeinde ist es natürlich besser, wenn der Schlachthof wieder betrieben würde, als wenn dort eine Ruine stehen bleibt.“ (Luckaus Bürgermeister Gerhard Ziegler (CDU) gegenüber der Elbe Jeetzel-Zeitung vom 11.09.2019).
Für die beabsichtigte Modernisierung wäre eine Änderungsgenehmigung nach Bundes-Immissionsschutzgesetz erforderlich gewesen. Erste Planungen sahen Änderungen im Bebauungsplan vor, die ebenfalls von dem Investitionsvolumen gedeckt worden wären, doch zuvor fehlte noch die Entscheidung der Gemeinde Luckau.
Proteste gegen Wiederbetrieb: Verlassener Schlachthof Luckau
2019 fanden mehrere Protestaktionen gegen einen neuen Schlachthof im Wendland statt, denn es stand im Raum, den seit 2016 leerstehenden Schlachthof in Steine wieder in Betrieb zu nehmen. Der Bürgermeister betonte später, es werde keinen neuen Schlachthof geben, da die Infrastruktur fehle, es neue Auflagen und Genehmigungsverfahren für einen Schlachtbetrieb gebe und der politische Wille fehle. Er unterstützte damit den Willen der Protestanten und somit des Großteils der Bevölkerung in der Region, statt an seiner vorherigen Aussage, ein Schlachtbetrieb sei für die Gemeinde besser, weiter zu markieren. Dabei scheint es geblieben zu sein. Doch ein verlassener Schlachthof ist auch kein Mehrwert für die Gemeinde, sodass eine Neuverwendung wahrscheinlich scheint.
Der verlassene Schlachthof heute
Nachdem am 21.11.2021 ein Brand auf dem Lost Place ausgebrochen war, bei welchem ein nah an einer Fabrikhalle abgestellter, mit Altpapier beladener Trailer ausbrannte und bei dem Teile der Hallenfassade beschädigt wurden, wurde sogar der Staatsschutz aktiv. 2022 besetzten daraufhin sechs Personen das Gelände des verlassenen Schlachthofs. Die Polizei hat Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Entziehung elektrischer Energie eingeleitet, da Manipulationen an Stromverteilern festgestellt worden waren. Bei der Räumung versammelten sich spontan weitere 30 Personen aus der Region im Umfeld des stillgelegten Schlachthofs, um ihre Sympathie für die sechs Personen zum Ausdruck zu bringen. Bereits zu Betriebszeiten gab es regelmäßige Proteste gegen den Betrieb. Im Sommer 2024 kam es zu weiteren Manipulationen an dem ehemaligen Schlachthof, als die Hauptleitungen der Stromversorgung demontiert und entwendet wurden, wobei sich die Schadenshöhe auf schätzungsweise 200.000€ belief. Damit war die Fabrik endgültig nicht mehr zeitnah reaktivierbar, nachdem schon ab 2017 wesentliche Teile der Schlachthoftechnik gefehlt hatten.
Mitte 2024 hat der chinesische Konzern Teile des Schlachthofes wieder verkauft. Kurz zuvor hatte eine Spedition aus Steine Interesse bekundet, ein Lager auf dem ehemaligen Schlachthof zu errichten. Welche weiteren Verwendungen es für einen verlassenen Schlachthof gäbe, der nur über eine schwache Infrastruktur verfügt, ist wohl eine wichtige Frage zu dem Lost Place in Steine in Niedersachsen.
https://www.ejz.de/lokales/schlachthof-vogler-steine-sucht-investoren-denkt-ueber-fusio-id233325.html
https://www.ejz.de/lokales/steine-chinesischer-konzern-verkauft-teile-schlachthofes-id363130.html
https://www.ejz.de/lokales/spedition-moechte-lager-steine-einrichten-id352395.html
https://www.schweine.net/news/vogler-fleisch-geht-es-doch-noch-weiter.html
https://wendland-net.de/r/heute/post/dritte-raeumung-in-steine-mit-polizeiboot-27775
2 Antworten
Moin aus Steine
Als „Lost-place-Steine“-Bewohner mit dem Ziel „Steine wird wieder Dorf“ interessiert mich Euer Artikel, logo.
Da ich vom Thema Schlachthof-Huarong-Steine betroffen bin, habe ich auch ein paar Kenntnisse. Daraus ergeben sich Fragen an Euch bezüglich Eurer Informationen bzw. Quellen dazu.
1.“Schließlich fand sich ein chinesischer Investor, welcher den Betrieb wieder hochfahren wollte, was zu großen Protesten führte. So lassen sich noch Spuren der Proteste an den Mauern des Schlachthofes finden, auf denen es Graffiti mit Worten wie „Mörder“ gibt.
Unter dem Investor sei der Betrieb in Steine „stabil“ weitergelaufen, wenn auch geringer als gewünscht.“ (?!?!?)
Ihr suggeriert, dass Huarong/Huahui den Schlachthof tatsächlich weitergeführt habe (und vergrößern wollte).
Nach meinen Kenntnissen hat Huarong die Immobilien – Schlachthof und Wohngebäude des Altdorfs – vom Insolvenzverwalter erworben, nicht aber die Gmbh mit der Schlachtlizenz. Die hat der Insolvenzverwalter im Frühjahr 2017 abgegeben, sie ist damit erloschen (wie das Gewerbeaufsichsamt in seiner Entscheidung vom 3.11.2020 feststellte („Ihr Antrag vom 15.01.2020 zur Verlängerung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Vogler Fleisch GmbH & Co.KG für die Anlage zum Schlachten von Schweinen am Standort in Luckau (Wendland): Ablehnung“). Zwar gab es wohl Zusagen von Huarong, den Schlachthof noch in 2017 wieder zu eröffnen, es ist aber bis zum Ablauf der vermeintlichen Wiederinbetriebnahmefrist nichts passiert, und eine Fristverlängerung hat das GAA verweigert, weil es nichts mehr zu verlängern gäbe. Auch ein neuer Antrag sei wegen erweiterter Bauplanungen, aktuell geänderter Immisionsvorschriften, des unterdessen eingerichteten Naturschutzgebiets in unmittelbarer Nähe etc. aussichtslos.
Wenn Weiterbetrieb mit geringerer Auslastung, dann wohl eher vom Insolvenzverwalter, nicht vom Investor.
(„AFZb 2017: HAMBURG Die Vogler Fleisch GmbH & Co. KG stellt ihre Geschäftstätigkeit zum 15. Februar ein.)
2. „Nachdem im November 2021 ein schwerer Brand auf dem Lost Place ausgebrochen war…“
Tatsächlich gab es am 21.11.2021 ein Feuer auf dem Fabrikgelände. Ein sehr nah an einer Fabrikhalle abgestellter, mit Altpapier beladener Trailer brannte aus, das Feuer beschädigte Teile der Hallenfassade. Schlimmeres wurde durch Eingreifen der Feuerwehr verhindert. Der Schaden war gering. Hätten die Hallen mit ihren Dachisolierungen Feuer gefangen, hätte es wüst werden können. Die Polizei war auch da, mag sein, dass der Staatsschutz wegen möglicher Sabotage ermittelte. Keine Ahnung, ob irgedetwas dabei rausgekommen ist.
Größer war der Schaden für Huarong im Sommer 2024, als die Hauptleitungen der Stromversorgung („5-cm-Kupferstränge“) geklaut wurden, mit Schadenshöhe geschätzt 200.000€. Damit war die Fabrik endgültig nicht mehr zeitnah für irgendetwas nutzbar (…Spedition…), nachdem schon ab 2017 wesentliche Teile der Schlachthoftechnik fehlten (Leasingmaschinen-Rückgabe, Versteigerung Insolvenzverwalter, Diebstahl, Unterschlagung)
3. „Mitte 2024 hat der chinesische Konzern Teile des Schlachthofes wieder verkauft.“
Da hätte ich doch bitte äußerst gern eine Quelle von Euch, ich höre/lese das zum allerersten Mal.
Nach meiner Kenntnis:
Haben die für die Unterbringung ukrainischer Geflüchteter zuständigen Samtgemeinden das Gebäude Steine 2 (ehemals Verwaltungsgebäude Voglers, zuvor Gastwirtschaft, historisch Umspannstation für Fuhrwerke) im Herbst 2022 angemietet und als „AKU“, Erstanlaufstelle als Flüchtlingsunterkunft für Leute aus der Ukraine, angemietet.
Haben 2023 Landkreis und Samtgemeinde ein gemeinsames Konzept gefahren, die Unterkunft allgemein für Geflüchtete und Asylbewerberinnen (m/w/d) zu nutzen; und dafür von Huarong zu kaufen. Das ist tatsächlich nicht geschehen. Momentan wird Steine 2 als allgemeine Unterkunft verwendet, mit unterschiedlich hoher Auslastung.
Hat der für die Huarong Deutschland GmbH tätige Herr H. im Kontext der Idee, eine Fabrikhalle an eine Spedition zu vermieten, in einer Gemeinderatssitzung angeboten, die leerstehenden Wohnäuser zu verkaufen (, um mit dem Geld die Änderung des B-Plans zu finanzieren).
Ist aus dem Angebot des Wohnhausverkaufs bisher ebenso viel geworden wie aus dem Vorhaben, an die Spedition Eich zu vermieten: genau nichts.
4. „Lost place“
Ist Euch bekannt, dass Steine seit letztem Jahr ein Kapitel in einem Buch über Lost Places gewidmet ist?
Kathrin Heynold: Lost & Dark Places Lüneburger Heide und Wendland: 33 vergessene, verlassene und unheimliche Orte; Kapitel 32: Ausgeschlachtet. Der einsame Schlachthof in Steine
Über Eure News zu Teilverkäufen in 2024 freue ich mich sehr!
Christian
Lieber Christian, vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar und danke für deine Verbesserung unseres Artikels. Zu deinem ersten Punkt möchte ich einlenken, dass unser Absatz ungenau formuliert war. Offenbar wurden Mittel aus dem Immobilienverkauf sowie des Schutzschirmverfahrens dazu genutzt, den Betrieb weiterzuführen, also – wie von dir beschrieben – nicht vom Investor. Punkt 2 wurde ebenfalls in unseren Artikel mitaufgenommen, diese Informationen hatten wir noch gar nicht.
Zu Punkt 3 haben wir jetzt einige Quellen hinzugefügt. Diese sind recht aktuell und stammen von der EJZ am 21.04.2024 und 18.06.2024.
Danke für deinen ausführlichen Kommentar und die Buchempfehlung!
Viele Grüße