Das wohl bekannteste verlassene Sanatorium Europas befindet sich in Belgien in dem kleinen Ort Borgoumont.
Wir fahren durch ein kleines Dorf namens Thieux, die Straßen hier sind sehr eng und verwinkelt, die Häuser sehen sehr alt aus und folgen keinem Schema. Der Ort, in dem wir uns befinden, lässt kaum erahnen, dass er sich nur 10km von Lüttich entfernt befindet – so abgelegen wirkt es hier.
Nach einer Abbiegung fahren wir an einer großen Kirche vorbei, die scheinbar im Stadtzentrum steht. Dann sind wir aus dem Dorf wieder raus und fahren geradewegs auf einen Berg zu. Die Straße, die jetzt vor uns liegt, soll uns zum verlassenen Sanatorium führen.
Wir passieren ein kleines Waldstück und fahren nun schon seit rund 10 Minuten durch Gebirge. Auf der linken Seite reicht der Blick weit in die Ferne mit einer unglaublich tollen Aussicht. Bislang haben wir allerdings immer noch nicht das Sanatorium entdeckt.
Wir fahren durch einen weiteren kleinen Ort, der den Namen Cour trägt. Schon seit einigen Minuten fahren wir den Berg, den wir zuvor hochgefahren sind, wieder herunter. Wir haben das Sanatorium immer noch nicht gesehen, sind aber laut Navi nur noch 1,4 km davon entfernt. Langsam fahren wir wieder in einen neuen Wald hinein. Die Straßen sind mittlerweile besser ausgebaut und vor uns fahren kaum noch Autos.
Auf den Spuren des Sanatoriums Borgoumont
Hinter einer Kurve erwartet uns auf der rechten Seite plötzlich das ehemalige Eingangstor zum Sanatorium. Endlich denken wir uns. Es hat einen Fachwerkstil und wirkt relativ unscheinbar für das, was sich hinter diesem Tor verbergen soll. Das Tor ist geöffnet, dahinter lässt sich ein Parkplatz erkennen und so beschließen wir kurzerhand, durch das Tor hindurch zu fahren, bis auf den Parkplatz hinauf.
Doch irgendwas passt nicht. Links neben uns sehen wir ein großes Gebäude, das nicht allzu alt zu sein scheint. Davor stehen mehrere Fahrzeuge und hinter den Fenstern kann man Personen sehen. Zwei Mitarbeiter in weißen Kitteln schauen durch ein Fenster direkt auf den Parkplatz und wir sind kurzerhand nicht ganz sicher, ob wir hier überhaupt richtig sind.
Wir beschließen ein kleines Stück weiter über den Parkplatz zu fahren und entdecken hinter dem Parkplatz ein Tor mit zahlreichen Hinweisschildern. Ein Schild hängt dort neben dem anderen und in verschiedenen Sprachen und mit vielen Symbolen möchte man uns hier zu verstehen geben, dass das Gelände, was sich hinter diesem Zaun befindet, bitte nicht von hier betreten werden soll. Eine kleine Überwachungskamera hängt an einem Baum daneben und zeigt geradewegs auf das Tor.
Sackgasse – wir kommen nicht weiter
An dem Tor führt ein Weg vorbei, der scheinbar nicht abgesperrt ist. Doch hier, wo uns jeder sehen kann, möchten wir den Weg nicht nehmen, da wir nicht sicher sind, wie das Personal des scheinbar aktiven Gebäudes auf uns reagieren würde. Und so beschließen wir, wieder umzudrehen und zurück auf die Straße zu fahren.
Auf dem Weg zurück begutachten wir nochmal das Fachwerk-Tor und bewundern die besondere Architektur. Dann biegen wir wieder rechts auf die Straße ab. Hier steht ein Schild, das uns auf französisch erklärt, was es mit dem Klinikgebäude auf sich hat.
Nach wenigen Metern verschwindet das große Gebäude hinter uns und wir fahren den Berg weiter hinab. Doch nach etwa 200 Metern entdecken wir auf der rechten Seite einen kleinen Weg, der hinauf auf den Berg durch den Wald zu führen scheint. Wir beschließen in der Kurve zu parken. Neben uns befindet sich ein Haus und wir verlassen das Auto.
Der Weg zum verlassenen Sanatorium
Wir packen unsere Ausrüstung zusammen, nehmen die Kameras, die Handschuhe, zwei Stative und eine Jacke mit. Uns fällt der kleine Bach auf, der aus dem Wald kommt und direkt neben unserem Auto entlang führt. Er scheint vom Berg zu kommen, auf dem wir das Sanatorium vermuten.
Dann schließen wir das Auto ab und machen wir uns auf den Weg in den Wald.
Heilung von Tuberkulose in der verlassenen Klinik
Dass sich das Sanatorium so verborgen im Wald und fernab der großen Städte befindet, ist übrigens kein Zufall. Um vorrängig Tuberkulose zu heilen, setzte man auf verschiedene Mittel wie Ruhe und frische Luft aber auch auf speziellere Maßnahmen.
- Die Luftqualität mitten im Wald und 400 Meter über dem Meeresspiegel ist an dem Standort besonders gut. Zudem waren die Zimmer nach Süden ausgerichtet, sodass viel Licht und dank einer speziellen Lüftungsanlage ebenfalls viel frische Luft verfügbar waren.
- Patienten mussten Kurzeiten streng einhalten und dabei auf Liegestühlen ausgestreckt für mehrere Stunden entspannen, um die Lunge zu schonen. Singen, Schreien und lautes Lachen waren verboten, um die Ruhe nicht zu stören.
- Mit Überfütterung sollten die Symptome der Patienten reduziert werden, sodass bis zu fünf Mahlzeiten am Tag serviert wurden.
- Jede Woche wurde gebadet und täglich geduscht, um ein Gefühl der Frische bei den Patienten hervorzurufen.
- Patienten mussten Spuckknäpfe verwenden und in Taschentücher husten, um Personal und andere Patienten nicht unnötig zu gefähhrden. Darüberhinaus wurden beim Verlassen des Sanatoriums jegliche benutzten Gegenstände desinfiziert.
Durch den Wald zum Sanatorium Borgoumont
Wir betreten vorsichtig den breitgetretenen Weg, der den Berg hinauf führt. Schnell fällt uns auf der linken Seite ein großer Betonbau auf, der bereits deutlich von Unkraut und Moos bewachsen ist. Dahinter schlängelt sich der Bach, den wir bereits zuvor entdeckt hatten, entlang. Wir beschließen, uns den Betonbau näher anzusehen und schießen die ersten Fotos.
Uns fällt auf, dass sich neben dem Betonbau ein kleiner Pumpenschacht verbirgt. Möglicherweise war das bereits ein Teil des Parks des ehemaligen Sanatoriums und eine Art Wasseranlage oder sogar einen Springbrunnen. Doch sicher können wir nicht sein, da die Anlage bereits sehr verwachsen ist. Wir kehren zurück auf den Weg und setzen unseren Pfad den Berg hinauf fort.
Dann endlich, nach einigen Minuten Wandern, entdecken wir die ersten Turmspitzen und Dächer des alten Sanatoriums. Wir können unser Glück kaum fassen, da wir bis hierhin nicht wussten, ob uns dieser Weg tatsächlich zum Sanatorium Borgoumont führen würde. Voller Freude setzen wir unseren Weg hinauf zum Sanatorium fort. Schon bald würden wir das riesige Gebäude in seiner vollen Pracht bewundern können.
Oben am Berg auf angekommen steht es dann da: das riesige verlassene Sanatorium Borgoumont. Die unfassbare Breite und allgemeine Größe dieses Gebäudes ist einfach umwerfend. Wir beschließen, vorab ein paar Bilder von der Seite zu schießen, bevor uns jemand von dem Gelände verscheuchen würde, falls wir entdeckt werden. Wir bemerken den Sicherheitszaun, der das Gebäude umgibt und schießen kurzerhand ein par Bilder durch die kleinen Löcher. Überall stehen Überwachungskameras, die den gesamten Vorplatz überwachen.
Entstehung der Heilanstalt Bourgomont
Sanatorium Borgoumont war eines der ersten Sanatorien, die in Belgien zur Bekämpfung der Krankheit Tuberkulose gebaut wurden. Es wurde zwischen 1900 und 1903 erbaut und kostete über 1,2 Millionen Francs. Das Sanatorium erstreckt sich über eine Fläche von mehr als 56 Hektar, auf der mittlerweile auch die bereits erwähnte Klinik steht.
1903 wurden hier die ersten Patienten aufgenommen unter denen zu Beginn hauptsächlich erkrankte Männer aus der Industriestadt Lüttich waren, für die 114 Betten zur Verfügung standen. Wenige Monate später nahm die Heilstätte auch weibliche Tuberkulosepatienten auf.
Eine unerwartete Begegnung in der Klinik
Wir lassen noch kurz unsere Blicke über die hohen Mauern des Sanatoriums schweifen. Die spitzen Dächer. Die hohen Fenster und die großen Balkon ohne. Doch was ist das? Einem der Balkone steht eine dunkle Gestalt, die bemerkt, dass wir sie entdeckt haben. Die Person beginnt willt zu gestikulieren und macht scheinbar anstalten, uns von dem Gelände wegzuschicken. Doch kurz darauf verschwindet die Person. Wir überlegen kurz, was wir jetzt machen sollen doch ehe wir uns versehen, erscheint die Gestalt jetzt hinter dem Bauzaun und nähert sich uns. Offensichtlich ein Sicherheitsmann, der Besuch des Sanatoriums fällt für uns damit wohl weg.
Tatsächlich kommen wir mit dem Mann ins Gespräch und erfahren in brüchigem Englisch, was hier mit dem Sanatorium passieren wird. Wie es weiter geht und ob wir noch Erfolg hatten, erfahrt ihr in einem weiteren Artikel. Hier findest du Teil zwei.
Eine Antwort
Das Sanatorium wird aktuell zum Hotel umgebaut.