Im Norden Münchens, in Oberschleißheim, steht das verlassene Monitoring-Haus eines Radiosenders, der zu Zeiten der Sowjetunion, Informationen aus den westlichen Ländern verbreitete – und dabei von der CIA finanziert worden sein soll. Radio RFE/RL soll entscheidend zum Niedergang des Kommunismus in Europa und in der Sowjetunion beigetragen haben und ein wichtiges Propaganda-Instrument gewesen sein.
Funktion des Gebäudes in Schleißheim
Der Lost Place in Oberschleißheim bei München war von 1953 bis 1995 eine Monitoring-Station von Radio RFE/RL. RFE/RL war ein Netzwerk aus Radiosendern, das sich primär an die sowjetisch-regierten Länder, als das östliche Ausland richtete.
Die heute verlassene Monitoring-Station Oberschleißheim diente der Qualitätskontrolle und Programmentwicklung des Radios. Mit modernsten Empfangstechniken wurden fremde Rundfunksendungen aus den Ostblockstaaten aufgezeichnet und zur Auswertung an die Zentrale im Englischen Garten München weitergeleitet. Dort wurden die fremden Sendungen ausgewertet, auf Englisch übersetzt und schließlich Redakteuren und anderem Personal weitergeleitet. Die Sendungen dienten als Grundlage für die Weiterentwicklung des eigenen Programms.
Die verlassene Monitoring-Station beim Flugplatz Oberschleißheim hatte noch eine andere Funktion, die mit der umstrittenen Rolle des Radios zu tun hatte. Um diese zu verstehen, ist die geschichtliche Einordnung des Radios wichtig.
Die Geschichte von Radio Free Europe / Radio Liberty
Ein von der CIA finanziertes Propaganda-Projekt, bei dem ein Radiosender ein Land destabilisieren sollte – klingt wie aus einem Film, soll aber genau so in der Nähe von München stattgefunden haben. Dort steht das verlassene Sendehaus eines Propaganda-Radio Senders, der früher unter dem Namen RFE/RL tätig war.

Gründung des Senders RFE
Radio Free Europe (kurz „RFE“) wurde 1950 in München vom Nationalkomitee für ein freies Europa gegründet. Das Komitee war eine US-amerikanische, antikommunistische Organisation, die seit 1949 verschiedene Projekte unterstützte, um die sowjetisch regierten Regionen nach dem Zweiten Weltkrieg von ihren Regimen zu befreien. Wer das Radio betrieb, war anfangs jedoch gar nicht weit bekannt.
Die Sendestation ging nach einer einjährigen Testphase am 01.05.1951 regelmäßig auf Sendung, um Hörer in Ungarn, der Tschechoslowakei, Polen, Rumänien und Bulgarien zu erreichen. Über den Hauptstandort im Englischen Garten von München, der damaligen Hauptstadt der amerikanischen Besatzungszone, wurde der Sender koordiniert. Für die Übertragung wurden Sendeanlagen in Biblis (Hessen) und Holzkirchen bei München genutzt.
Für Menschen, die sich nicht mit den Ansichten ihres sowjetisch-dirigierten Regimes anfreunden konnte, bot der Sender RFE eine Möglichkeit auf ungefilterte westliche Informationen und andere Musik. Das Radioprogramm war für sie eine Form des stillen Protests und der Flucht vor der allgegenwärtigen sowjetischen Indoktrination.
Die Sowjetunion und ihre Anhänger betrachteten den Sender als feindliches Propaganda-Instrument und sollen mehrfach versucht haben, ihn abzuschalten. Als die Verstrickungen des US-Geheimdienstes CIA in die Senderstrukturen bekannt wurden, verhärtete sich der Verdacht, es handle sich um ein westliches Propaganda-Projekt gegen die UDSSR.
Geheimdienstaktionen gegen den Radiosender
Der Sowjetunion war das Programm des Senders ein Dorn im Auge, weshalb sie verschiedene Wege nutzte, gegen die Ausstrahlung der für sie feindlichen Propaganda vorzugehen. So setzte sie unter anderem Störsender auf den Frequenzen des Radiosenders ein, um den Empfang des Programms zu erschweren. Um diese Störfrequenzen zu überwachen, war die heute verlassene Monitoring-Station in Oberschleißheim bei München wichtig. Der Lost Place war früher eine wichtige Einrichtung, um die Gegenmaßnahmen der UDSSR zu bekämpfen.
Die Sowjetunion betrieb einen großen Aufwand, um die Bevölkerung am Empfang von Radio RFE/RL zu hindern und gab viel Geld für Störsender. In Summe soll das Stören des Empfangs teurer gewesen sein, als das Senden von RFE/RL. Wenn die Monitoring-Station starke Störsignale empfing, konnte sie berechnen, wie stark die Sendeleistung des eigenen Senders sein musste, um die Störungen zu überspielen und weiterhin die Hörer in den Sowjetstaaten zu erreichen. RFE/RL verstärkte die Sendeleistung regelmäßig, um diese Störsender zu überwinden.
Außerdem wurden einige Sendebeiträge des Radios mehrfach ausgestrahlt, um die Informationen trotz potenziell schlechten Empfangs bis zu den Hörern zu liefern. Gelegentlich kamen auch Ausweichfrequenzen zum Einsatz.
Bombenanschlag auf die Zentrale von RFE/RL
Am 21.02.1981 gab es am späten Abend einen Anschlag auf die Sendeeinrichtung in München. Eine Bombe war von unbekannten Akteuren in einem Hinterhof des Sendehauses gezündet worden. Erst sieben Jahre später, nach dem Mauerfall, stellte sich irgendwann heraus, dass der rumänische Geheimdienst als Drahtzieher hinter dem Anschlag gesteckt und den zwei Tätern dafür rund eine Million Dollar gezahlt haben soll.
Giftanschläge auf Radio RFE
Es soll im Laufe der Jahre zu zahlreichen Angriffen gegenüber wichtigen Radio Free Europe-Funktionären gekommen sein. Darunter war 1978 auch ein Mord an dem Bulgaren Georgi Ivanov Markow, der im bulgarischen Ableger von RFE als Journalist tätig war und in seinen Sendungen das kommunistische Regime kritisierte. Er wurde am 7. September 1978 mittels eines präparierten Regenschirms in London vergiftet und starb daraufhin.
In der Kantine der Radio-Zentrale in München wurde Gift in die Salzstreuer gefüllt, was noch rechtzeitig festgestellt werden konnte, sodass keine Mitarbeiter des Radios zu Schaden kamen. Hinter dem vereitelten Anschlag wurde der Geheimdienst der Tschechoslowakei (StB) vermutet.
Der Sender verlegte 1995 seine Zentrale nach Prag, wo daraufhin die russische Journalistin Molli M. Riffel-Gordin erschossen wurde, die ebenfalls für den Sender tätig gewesen war.
Aufgrund seiner politischen Relevanz und der zahlreichen Anschläge (und Anschlagsversuche), wurden die Gebäude von Radio RFE/RL massiv gesichert. So erhielt die Senderzentrale in München neben Sicherheitszäunen eine umfassende Überwachungsanlage und einen Wachschutz. Auch der Lost Place in Oberschleißheim, die verlassene Monitoring-Station von RFE erhielt eine weitläufige Umzäunung mit Kameraüberwachung und eigener Pforte.








Vereinigung mit Radio Liberty (RL)
Das 1953 ebenfalls vom Komitee gegründete Radio Liberation folgte der Struktur von Radio Free Europe und begann sein Programm zunächst auf Russisch. Radio Liberation nutzte im Gegensatz zu RFE einen Sender in Lampertheim (Hessen).
Die beiden Sender gaben sich als unabhängige Medien, die wahrheitsgetreu berichteten und unterdrückte Nachrichten aus den sozialistischen Ländern übermittelten. Sachlichkeit und Objektivität seien von hoher Relevanz.
Die heutige Relevanz der Sender
Seit 1995 liegt der Hauptsitz von Radio Free Europe in Prag und der Sender erreicht wöchentlich rund 50 Millionen Menschen in 23 Ländern und auf 27 Sprachen.
Mittlerweile konzentriert RFE seine Berichterstattung auf autoritär geführte Länder wie Russland, China oder den Iran, um dort westliche, ungefilterte Informationen verfügbar zu machen, doch auch heute gibt es noch Kritik an den Sendern.
So gab es Vorwürfe gegen die Radiosender, von denen unter anderem der kasachische Ableger von Radio Liberty von einer ehemaligen Journalistin des Senders der Emotionalisierung bei der Berichterstattung bezichtigt wurde. Die Redaktion folge zudem nicht mehr den journalistischen Standards der Gruppe und es gebe Missstände in der Belegschaft. Noch heute soll der Sender aber im autoritär geführten Kasachstan eine der wenigen Alternativen zu den streng kontrollierten staatlichen Medien sein. Die Regierung soll dort weiterhin rechtliche Mechanismen wie Zensur, Strafen für „Falschinformationen“ und strenge Gesetze anwenden, um kritische Stimmen zu unterdrücken, was zu Selbstzensur und staatlicher Dominanz der Medienlandschaft führe.
Radio Free Europe hat im April 2025 die Ausstrahlung seines Programms in Russland beendet, weil die Satellitenverbindung gekappt worden sein soll. Damit sei eine Ausstrahlung in Russland, der Ukraine, Zentralasien und Osteuropa nicht mehr möglich. Kurz zuvor US-Präsident Trump hatte Mitte März in einem Dekret drastische Kürzungen für die US-Auslandssender angeordnet, weil die Steuerzahler sollten nicht länger für „radikale Propaganda aufkommen“ sollten.
Der Lost Place in Oberschleißheim heute
In Oberschleißheim steht das Gebäude der ehemaligen Monitoring-Station von Radio Free Europe und Radio Liberty. In den Gebäuden wurden östliche Rundfunksendungen aufgezeichnet und in die Zentrale des Senders in München weitergeleitet. Mittels der Monitoring-Station in Oberschleißheim konnten zudem Störsignale aus der UDSSR erkannt und durch Verstärkung der eigenen Sendeleistung übersteuert werden.
Weil das Gelände umzäunt ist und sich an einem aktiven Flugplatz, dem Flugplatz Oberschleißheim befindet, hält sich der Vandalismus in Grenzen. Augenscheinlich wurden nur vereinzelte Raves in den leerstehenden Gebäuden gefeiert und die Garagen im Hinterhof zu Diebesgut-Bunkern umfunktioniert. Viele Scheiben wurden eingeworfen, zahlreiche Wände mit Graffiti beschmiert. Es ist einer der wenigen Lost Places bei München, für die es scheinbar keine neue Verwendung gibt.

Quellen
https://www.deutschlandfunkkultur.de/radio-free-europe-beendet-ausstrahlung-seines-programms-in-russland-102.html
https://www.deutschlandfunk.de/radio-free-europe-radio-liberty-instrumentalisierter-100.html
https://www.deutschlandfunk.de/usa-beenden-ausstrahlung-von-russischem-programm-100.html
https://www.deutschlandfunk.de/propaganda-im-auftrag-der-cia-100.html
https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Radio_Free_Europe
https://blog.juedisches-museum-muenchen.de/erinnerungen-an-radio-free-europe-und-radio-liberty-andrey-s/
















