Etwas versteckt hinter Bäumen, in der Nähe eines Waldfriedhofs, gibt es einen spannenden Lost Place in Niedersachsen: die verlassene Polizeischule PATVN in dem kleinen Ort Wennigsen bei Hannover.
In den Schulungsgebäuden auf dem rund 53.000m² Grundstück wurden früher Polizisten aus Niedersachsen im Bereich Technik und Verkehr ausgebildet. Die PATVN (Polizeiausbildungsstelle für Technik und Verkehr Niedersachsen) umfasste neben den Schulungsgebäuden auch einen Wohntrakt, in dem 130 Betten für Seminarteilnehmer zur Verfügung standen. So konnten Polizisten aus Niedersachsen für mehrere Wochen auf dem Gelände der Polizeischule unterkommen, wofür es auch eine Kantine gab, sodass die Teilnehmer vollständig versorgt werden konnten.
Spezialausbildungen in der Polizeischule Wennigser Mark
In der alten Polizeischule Wennigser gab es Spezialausbildungen und Fortbildungen für Umwelt, Fotografie, Video-, Informations- und Fernmeldetechnik. Für die Arbeit mit Polizei-Diensthunden gab es eine Zweigstelle in Ahrbergen bei Hildesheim. In Hildesheim waren auch das Gerätelager und die Waffenwerkstatt untergebracht.
Die PATVN bot außerdem Fahrlehrer-Ausbildungen und sogar Schießausbildungen an. Damit deckte die Polizeischule für Technik und Verkehr Niedersachsen ein umfangreiches Angebot an Aus- und Fortbildungsprogrammen ab.
Neben den theoretischen Modulen gab es auch sportliche Programme, die in einer großen Mehrzweckhalle und auf dem Sportplatz der Polizeischule durchgeführt werden konnten. Auch Sportvereine und öffentliche Veranstaltungen nutzten die Sportstätten der Polizeischule Wennigsen.
Erbauung der Polizeischule in Niedersachsen
Vor über einem Jahrhundert befand sich auf dem Gelände der späteren PATVN-Schule noch eine Fabrik zur Herstellung von Zündschnüren, die um 1906 erbaut wurde. Sie wurde 1926 stillgelegt und stand vorerst leer, bis 1933 die GeStaPo das Gelände bezog und die Gauführerschule „Bernhard Rust“ gründete, um fortan NSDAP-Personal zu schulen. Die Nutzung als Schule wandelte sich ab 1940 zur Unterbringung polnischer Zwangsarbeiter. Die alten Fabrikgebäude wurden in ihrer Funktion als Unterkunft ab 1946 ausgebaut, als aus der Zwangsarbeiter-Unterkunft ein Altenheim wurde. Dieses konnte in seiner Form bis 1955 betrieben werden, als schließlich wieder die Polizei (Schutzpolizei) das Gelände übernahm, um hier den Grundstein der PATVN mit einer Kfz-Ausbildungsstätte zu legen. Wenige Jahre später, wurde 1970 das Gelände neu strukturiert und die alten Fabrikhallen damit abgerissen, um ab 1974 einen umfangreichen Neubau für rund 20 Millionen DM zu errichten. Dabei wurde das vierstöckige Hauptgebäude oberhalb einer neuen, unterirdischen Kfz-Halle für Kfz-Schulungen errichtet, in dem ab 1978 Schulungen stattfinden konnten. Im Erdgeschoss des Schulungsgebäudes gab außerdem einen Schießstand. Auch die 30 Einzel- und 64 Doppelzimmer des Unterkunftsgebäudes nebenan, konnten ab 1978 genutzt werden. Zuletzt waren hier jährlich rund 5500 Teilnehmer in 400 Seminaren bei 60 Fachlehrern weitergebildet worden.
Aufgabe und Schließung der Polizeischule PATVN
Als die Landesregierung von Niedersachsen 1997 im Zuge einer umfangreichen Umstrukturierung die Aufgabe der PATVN-Schule bekannt gab, wurde bis 2008 der Großteil der Belegschaft nach Nienburg in die Polizeiakademie Niedersachsen verlegt und nur noch die Schießanlage sowie die Sporthalle weitergenutzt. Seit 2008 stand das Gelände zum Verkauf, alte Angebote im Internet nennen eine Kaufsumme von rund 1,3 Millionen Euro für die verlassene Polizeischule.
Die weitere Nutzung der Einrichtungen musste 2015 nach einer Kontrolle endgültig eingestellt werden, da Sicherheitsmängel festgestellt worden waren. Anschließend wurde geprüft, ob die Anlage durch Sanierung und teilweise Neubau für die Unterbringung von Personal der Bereitschaftspolizei geeignet sein würde. Außerdem hätten neue Bürogebäude erbaut werden können, womit man etwa 620 Mitarbeiter hier hätte stationieren können. 2020 gab das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport bekannt, die Pläne nicht weiter zu verfolgen. Bald darauf wurde die verlassene Polizeischule PATVN verkauft.
Weiterentwicklung für verlassene Polizeischule PATVN ab 2021
Für das Areal der verlassenen Polizeischule Wennigsen ist wohl seit 2021 ein Wohngebiet geplant, das jedoch nur schleppend voranzugehen scheint. Ein Immobilienunternehmen aus Hannover hatte das Gelände im September 2021 für 5,41 Millionen Euro erworben. Einer der Gründe für die zähe Umsetzung sei laut einer Projekt-Seite etwa der Bebauungsplan, der in Stadtplänen eingrenzt, wofür ein Grundstück genutzt werden darf. Die Projekt-Gruppe schrieb dazu: „Da der Bebauungsplan zur Umsetzung des Konzepts geändert werden muss wird der Baubeginn erst in einigen Jahren erfolgen. [sic]“
Lost Place Polizeischule: wie aus der PATVN eine Ruine wurde
Mit der Zeit entwickelte sich die verlassene Polizeischule zum Lost Place und wurde in der Urban Exploration Community zu einem wahren Highlight. Leider geriet der Lost Place zunehmend in den Fokus von Personen, die den Urbex-Codex missachteten und das Gelände nach und nach verwüsteten und schließlich in Brand steckten.
Im September 2020 äußerte sich der Ortsbürgermeister Dorl zu Vorfällen auf dem verlassenen Polizei-Gelände: „Vor acht Wochen haben acht junge Männer nachts um zwei Uhr einen großen Polizeieinsatz im Tannenweg ausgelöst. Sie hatten Scheiben der alten Polizeischule zerschlagen, was Anwohner weckte. Die Polizei rückte an, setzte nach mehrmaliger Aufforderung auch Hunde ein. Die jungen Leute flüchteten und nutzten dazu auch die Vorgärten im Tannenweg. Die Beamten gingen also mit gezogener Waffe durch die Vorgärten, weil nicht klar, was auf dem Gelände los war und wer da flüchtete“.
Der Bürgermeister wusste dankenswerterweise zwischen Urbexern und Vandalisten zu unterscheiden und sagte gegenüber einer Zeitung: „Wir haben auch seit Jahren regelmäßig Lost-Place-Besucher, aber die richten keinen Schaden an und verursachen keinen Lärm“.
2023 brannte die Sporthalle der verlassenen Polizeischule Niedersachsen vollständig nieder, weil die Löscharbeiten nicht reibungslos liefen. Bei den Löscharbeiten waren rund 250 Feuerwehrleute im Einsatz, die große Mühe hatten, eine stabile Wasserversorgung für die Löscharbeiten auf dem Gelände herzustellen. Ein funktionierender Hydrant war beispielsweise 1,5 km entfernt und die Feuerwehr musste einen Pendelverkehr mit Tankfahrzeugen durchführen, um genügend Wasser zur Brandstelle befördern zu können. Die Polizei unterstütze die Löscharbeiten an der ehemaligen Polizeischule mit zwei Wasserwerfern und auch die Feuerwehr Hannover wurde zu dem Großbrand bestellt.
Wohnquartier oder weiterhin verlassene Polizeischule?
Auf Nachfragen gab die Projekt-Gruppe 2024 an, sich noch immer „[…] in der frühen Planungsphase des Projekts[…]“ zu befinden und sich momentan „[…] mit dem Thema Abriss einzelner Gebäudeteile[…]“ zu beschäftigen. Auf erneute Anfrage, gab die Gruppe Mitte 2025 an, sich mittlerweile in der „[…] Vorbereitungsphase zur Baurechtschaffung […]“ zu befinden. Bis heute hat die Projekt-Gruppe entweder keine weiteren Anfragen zum Fortschritt erhalten oder auf ihrer Seite veröffentlicht. Der Zutsand der verlassenen Polizeischule in Niedersachsen hat sich hingegen weiter verschlechtert. Es gibt keine Scheibe, die noch nicht zerstört wurde und kaum einen erreichbaren Fleck Beton, der nicht besprüht wurde.
https://www.auf-gute-nachbarschaft.info/projekte/wennigser-mark-/-egestorfer-strasse-5
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Alte-Polizeischule-Wennigsen-Feuer-flammt-wieder-auf,wennigsen160.html
https://www.con-nect.de/wennigsen/nachricht/von-der-polizeischule-zum-wohnquartier-wie-geht-es-weiter
https://www.haz.de/lokales/umland/wennigsen/was-wird-aus-der-alten-polizeischule-EX5V7SEMURZ3VIYTAUH3ZHPIX4.html
https://www.leine-on.de/suche/nachricht/was-wird-aus-der-alten-polizeischule
Titelbild: Von Hamelenser – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0