Das Ruhrgebiet ist untertunnelt, daran war maßgeblich der Bergbau mit seinen vielen Zechen in der Region beteiligt: Die Paurat GmbH aus Voerde stellte Vortriebsmaschinen für diese Branche sowie den generellen Tunnelbau her. Heute sind nicht mehr viele Details über die einst bedeutende Firma Paurat bekannt. Zurückbleiben ein großes, leerstehendes Areal von 90.000 Quadratmetern, etliche Patente und Publikationen und das „Paurat Hochhaus“.
Die Geschichte der Paurat GmbH
Das Deutsche Handelsregister führt Einträge zur Paurat GmbH mit Sitz in Friedrichsfeld am Niederrhein ab der Gründung am 29.04.1960. Der Gesellschaftsvertrag ist jedoch auf den 25.06.1954 zurückzuführen. Der Zweck der Firma, die mit 900.000DM Stammkapital gegründet wurde, beschrieb darin die Herstellung und den Vertrieb von „[…] Bergwerksbedarfen aller Art, (den) Betrieb eines allgemeinen Im- und Exportgeschäfts und die Beteiligung an anderen Unternehmen gleicher Art“. Insbesondere Letzteres könnte bereits zu Gründungszeiten die Idee beschrieben haben, die Firma durch Ankäufe anderer Produzenten zu vergrößern. Die Geschäftsführung hatte damals der Gründer Friedrich Wilhelm Paurat aus Duisburg.
Die Paurat Fabrik in Friedrichsfeld erhöhte zu Zeiten des Deutschen Wirtschaftswunders ihr Stammkapital im Jahre 1965 von den ursprünglichen 900.000DM auf 1,75 Millionen DM, was inflationsbereinigt 2025 einer Kaufkraft von rund 4,5 Millionen Euro entspräche. Diese Zahlen spiegeln die Summen wider, mit denen der Bergbau-Maschinen Produzent zu dieser Zeit zu tun hatte. Das Geschäft lief also gut. Bereits 11 Jahre später wurden 2,5 Millionen DM, 1978 schon 4,5 Millionen DM und 1983 finale 8 Millionen DM als Stammkapital erreicht. 1978 wurde außerdem Roland Paurat, ein Diplom-Ingenieur aus Voerde-Friedrichsfeld als Geschäftsführer eingetragen. Weitere Geschäftsführer waren Heinrich Füßl, Werner Menzel und Prof. Dr. Ing. Johannes Henneke.
Zwischenzeitig erhielt die Paurat GmbH sogar Förderungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie in Millionenhöhe, um seinen Vortrieb-Schwenkschneider E 202 in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Jülich zu entwickeln.
Paurat gründete weitere Firma
Der Fabrikant Friedrich Wilhelm-Paurat, der bereits die Paurat GmbH in Voerde gegründet hatte, gründete am 20.09.1994 die Paurat Geotechnik GmbH in Wesel, mit der er Dienstleistungen im Bereich der Boden- und Wassersicherung erbrachte. Erforschung von Altlasten, Sicherungsmaßnahmen und der Handel mit entsprechenden Maschinen gehörten zum Geschäft. Sie konzipierte unter anderem Methoden zur Bergung von Gefahrgut, die beispielsweise in Niedersachsen eingesetzt wurden.
Auch diese Firma ging 2002 in die Hände Roland Paurats über, der sich am 12.02.2002 auflöste.
Paurat Maschinen im Ruhrgebiet Bergbau
Die riesigen Vortriebsmaschinen von Paurat wurden unter anderem im Bergbau eingesetzt, um Material im Flöz abzutragen und die Strebe voranzutreiben. Paurat stellte dabei insbesondere fernsteuerbare „Gesteinsroboter“ her, die mit leistungsstarken Motoren in den Zechen eingesetzt werden konnten. So nutzte beispielsweise die Zeche Walsum Teilschnittmaschinen der Paurat GmbH, aber auch Gruben wie Emil Mayrisch setzten sie ein. Bekannte Maschinen im Berg- und Tunnelbau waren die E 200 und die E 169 von Paurat, die heute noch vereinzelt genutzt werden und mit sechsstelligen Preisen auf dem Zweitmarkt angeboten werden.
Teilschnittmaschinen kamen dann zum Einsatz, wenn mittelhartes oder weiches Gestein abgetragen werden musste, um einen Streckenquerschnitt zu erstellen. Sie wurden klassischen Tunnelbohrern vorgezogen, weil sie auch flexibel zum Kurvenbau eingesetzt werden konnten. Dabei unterstützte der bewegliche Ausleger, der mittels Hydraulik horizontal und vertikal bewegt werden konnte und an dessen Ende sich der Schneidkopf befand. Der Schneidkopf, bestückt mit Schneidmeißeln aus Metall, konnte bei vielen Maschinen mit Hammern erweitert werden, um besonders hartes Material schneller abtragen zu können. Explosionsschutz war eine Mindestvoraussetzung für die Maschinen, weil sie in explosionsgefährdeten Umgebungen wie Untertage eingesetzt wurden, wo jederzeit Gase freigesetzt werden konnten.
Ein riesiger Erfolg: Paurat war überall
Die Bergbau-Roboter der Firma Paurat wurden in zahlreichen Gruben im Ruhrgebiet eingesetzt. So fanden sich die Maschinen unter anderem in den Schachtanlagen Westfalen, Heinrich Robert, Anna, Sterkrade und Monopol. Doch Paurat schaffte es sogar bis ins Ausland. In Utah, Kentucky und anderen Staaten der USA, wurden die großen Maschinen ebenfalls eingesetzt.
In einem Ministerialblatt des Landes Nordrhein-Westfalen wurde die Paurat GmbH als Unternehmen mit der „Befähigung zum Schweißen von Stahlbauten“ unter der Kategorie Stahl- und Maschinenbau an der alten Hünxer Straße 45 in Voerde gelistet. An dieser Adresse steht ein Wohngebäude, das als Paurat-Hochhaus bezeichnet wird und offenbar früher der Firmensitz des Unternehmens war.
Die Ingenieure Friedrich Wilhelm Paurat und Roland Paurat konzipierten eine Reihe von Maschinen und Techniken, die sie sich unter anderem patentieren ließen. Ihre Publikationen und Anmeldungen können hier beziehungsweise hier (Roland Paurat) nachgeschlagen werden. Auch von Heinrich Füßl, einem der späteren Geschäftsführer, gab es Patente für selbstfahrende Maschinen, die Material abbauen konnten.
Der Gesteinsroboter: die Mega-Vortriebsmaschine E 200 von Paurat
Mit einem Gesamtgewicht von über 115 Tonnen, zählte Paurats E 200 zu den schwersten der damals eingesetzten Maschinen im Teilschnitt-Bau. 1000V Betriebsspannung, 350kW Leistung am Schneidkopf und 4,2 m/min Fahrgeschwindigkeit – die Maschine war ein leistungsstarkes Werkzeug für Bergleute. Sie konnte mit weiteren Maschinen zum Abtransport des abgebauten Materials zu einem Zug gekoppelt werden.
Mittels Modifikationen, wie breiteren Raupenketten oder anderen Schrämköpfen (Schneidköpfen), konnte die E 200 an das zu bearbeitende Gelände angepasst werden. Teilweise musste die Maschine mit zusätzlichen Hydraulikstempeln gegen das abzutragende Gestein gepresst werden, um mehr als die eigens erbrachten 60t Druck durch den Schneidkopf zu erreichen und so schneller voranzukommen.
Neben seiner Firma engagierte sich Friedrich Wilhelm Paurat offenbar auch etwas in der Politik, in dem er an Diskussionen zur Finanzpolitik teilnahm.
Kohlestopp im Ruhrgebiet – das Ende der Paurat GmbH
Ende der 1950er Jahre begann eine Phase, deren Folgen heute noch an etlichen Stellen im Ruhrgebiet sichtbar sind: Die ersten Grubenbetriebe wurden heruntergefahren und ab den 1960er Jahren schlossen reihenweise Zechen. Auch für den Bergwerks-Maschinen Produzenten Paurat waren die Schließungen spürbar. Zuvor hatten viele Zechen im Ruhrgebiet auf Vortriebsmaschinen der Voerder Firma gesetzt, doch Paurat hatte sich über die Jahre einen Namen erarbeitet und seinen Markt auf das Ausland erweitert.
Somit hielt sich der Maschinenbauer noch gut am Markt, in dem er weiterhin Tunnel- und Bergbaumaschinen produzierte, doch die Konkurrenz war über die Jahre ebenfalls stärker geworden. Ob es die ausbaufähige Infrastruktur, die abgeschiedene Lage von Abnehmern, die gestiegenen Rohstoffpreise in Deutschland oder Verkalkulationen der Geschäftsführung waren: Paurat stand Ende der 1990er Jahre vor dem Aus.
Ein Beschluss des Amtsgerichts Wesel vom 05.06.1996 belegt die Eröffnung des Konkursverfahrens der Firma, es wurde am 13.09.2007 aufgehoben und die Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit am 12.01.2009 aufgelöst. Roland Paurat überließ am 27.11.2006 dem Bergbau-Archiv Mitteilungsblätter des Berg- und Hüttenmännischen Vereins (BuH). Außerdem engagierte er sich für die Gemeinschaftsgrundschule am Quadenweg in Wesel.
Seither stand das ehemalige Werksgelände der Paurat GmbH am Kanal in Voerde leer und wurde in der Graffiti-Szene zu einem beliebten Ort.
Indoor-Spielplatz in Voerde war geplant
Nicht nur in der Lost Place Szene weckte das verlassene Paurat Areal in Voerde Interesse, so plante der Investor Hassan Vaez, der das Gelände 1998 erwarb, dort eine Fabrik für Stanz- und Biegeteile. Eine solche Fabrik sei jedoch aus Lärmschutz-Gründen nicht realisierbar gewesen.
2014 war dann die Rede von einem 1500 Quadratmeter großen Indoorspielplatz, den Vaez hier umsetzen wollte. Damit hätte er ein Projekt, das auf großes Interesse bei den Anwohnern gestoßen wäre, realisiert. Die nötigen Vorbereitungsarbeiten waren zu dieser Zeit bereits im Gange und Mitte 2015 war bereits von einer Eröffnung Ende des Jahres die Rede. Während der Aufräumen- und Renovierungsarbeiten wurde auch das ehemalige Bürogebäude, das sich auf dem Areal befindet, renoviert, indem auch die teils zerstörten Fenster ausgetauscht wurden. Neben dem Indoor-Spielplatz sei auch eine Café / Restaurant geplant gewesen. Was aus den restlichen Hallen von rund 5500 Quadratmetern werden sollte, war noch nicht sicher.
Als der Spielplatz Anfang 2016 noch nicht eröffnet hatte, wurde bekannt, dass die Renovierungsmaßnahmen länger andauern würden, als ursprünglich geplant und der Spielplatz erst zwei Jahre später eröffnen können würde. Offenbar waren gerade mal drei Arbeiter mit diversen Renovierungs- und Entrümpelungsmaßnahmen beauftragt worden.
2017 hoffte der Investor öffentlich auf eine Einweihung gegen Ende des Jahres – doch auch daraus wurde nichts. Wenigstens gab es weitere Details für eine weitere Nutzung der übrigen Hallen: eine Sport- und/oder Kletteranlage.
Ein Teil des Geländes gehört der Volksbank, die offenbar überlegte, auf ihrem 25.000 Quadratmeter großen Areal eine neue Verwaltung zu errichten. Dazu begann sie bereits mit dem Abriss einiger auf ihrem Grundstück befindlichen Gebäude, um Platz für ihre Pläne sowie für Wohnungen und Gewerbe zu schaffen. Diese Pläne wurden und werden realisiert. Was aus dem Indoor-Spielplatz wurde, ist unbekannt. Offenbar tut sich jedoch nichts mehr an dem Gelände, das Interesse der Anwohner und der Medien scheint verstummt.
Quellen
https://www.enargus.de/pub/bscw.cgi/?op=enargus.eps2&q=Reich%20GmbH
&m=2&v=10&p=35&s=6&id=485271
Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen (F4763A), Ausgabe A
https://www.asm-ev.de/Pub_Tagungsprotokolle.html
Patentschrift DE 3923376 C1
HRB Duisburg 11010, 9630 / Wesel 1412
Werkzeitschrift „unserBetrieb“ Deilmann-Haniel-Gruppe (31, 33, 74)
https://www.lokalkompass.de/wesel/c-vereine-ehrenamt/weseler-hfa-entscheidet-sich-fuer-zehn-empfaengerinnen-des-ehrenamtspreises-2016_a707369
https://www.bergbaumuseum.de/fileadmin/
files/zoo/uploads/jahresberichte/DBM-Jahresbericht_Bergbau-Archiv_2006.pdf
Unterrichtung durch die Bundesregierung / Drucksache 13/380 „Sondergutachten Altlasten 2“
https://www.nrz.de/lokales/dinslaken-huenxe-voerde/article402233999/indoor-spielplatz-in-paurat-halle.html
https://www.nrz.de/staedte/dinslaken-huenxe-voerde/article10446233/werkshalle-wird-ein-indoor-spielplatz.html
https://www.nrz.de/staedte/dinslaken-huenxe-voerde/article11626214/voerde-indoor-spielplatz-braucht-noch-zeit.html
https://www.nrz.de/staedte/dinslaken-huenxe-voerde/article210325501/arbeiten-auf-paurat-areal-in-friedrichsfeld-schreiten-voran.html
https://www.nrz.de/staedte/dinslaken-huenxe-voerde/article213236691/volksbank-baut-neue-verwaltung-vielleicht-in-friedrichsfeld.html