Feintuchwerke F.F. Koswig

Eine riesige, verlassene Textilfabrik zwischen Leipzig, Berlin und Dresden.

Die Geschichte der Feintuchwerke F.F. Koswig in Finsterwalde gehört zu einem prägenden Kapitel der deutschen Textilindustrie, die 1886 im Westen der Stadt beginnt. Die Textilfabrik entwickelte sich zu einem führenden Unternehmen der Textilbranche, bevor sie mit der Aufgabe zu einem heute bekannten Lost Place in der Nähe von Cottbus und Dresden wurde.

Gründung und Aufstieg der Feintuchwerke Koswig

Finsterwalde, ein idyllisches Dorf zwischen Berlin, Leipzig und Dresden, wuchs durch die Tuchindustrie zu einer wichtigen Industriestadt heran. Zu den Ursprüngen der Geschichte zählt die Feintuchfabrik Friedrich Ferdinand Koswigs, der diese im Jahr 1838 unter dem Namen F. F. Koswig, Tuchfabrik Finsterwalde gründete. Anfangs noch als rein handarbeits-gestützter Betrieb, stellte die Fabrik den Betrieb zeitnah auf maschinelle Produktion um, wobei zunächst Pferde in einem Göpelwerk die Maschinen antrieben. Zu diesen Maschinen zählten Waschzylinder und weitere Anlagen. Aufgrund der begrenzten Räumlichkeiten und des Ausbaubedarfs wurden in der Graben- und Ringstraße neue Niederlassungen der Feintuchwerke Koswig eröffnet, welche die Nutzung von Dampfmaschinen ermöglichten.

Nach dem Tod von Friedrich Ferdinand im Jahr 1872 fehlte ein direkter Nachfolger, sodass seine Frau Caroline die Geschäftsführung übernahm, bald darauf jedoch den Neffen ihres verstorbenen Mannes, den gerade erst 18-jährigen Max Koswig, mit der Leitung beauftragte. 1879 übergab sie dem 25-jährigen Max Koswig das Fabrikgeschäft zur Weiterführung auf eigene Rechnung. Dieser konnte das Geschäft sehr erfolgreich führen, sodass das Unternehmen 1880 bereits über 63 Kräfte, 1885 über 124 Kräfte, 1890 schon 237 und im Jahre 1913 sogar 760 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügte. Mit dem großen Kapital wurde eine ehemalige Fabrik in der Brunnenstraße erworben und eine neue, die umgebaut wurde, sodass eine deutlich größere und moderne Fabrik entstand.

Neuer Standort und weiteres Wachstum

Die Umfunktionierung der aufgekauften, stillgelegten Fabrik zu einer hochmodernen Fabrik der Tuchfabrik F.F. Koswig im Jahr 1886, machte Finsterwalde zu einem noch bedeutenderen Standort für Textile. Der vorherige Standort wurde geschlossen. 1889 erwarb Koswig eine konkurrierende Tuchfabrik von Richard Haberland und besaß damit die größte Fabrik in Finsterwalde. Seine Textilfabriken wurden immer weiter ausgebaut, bis sie im Jahr 1913 zu den größten Tuchfabriken Deutschlands gehörten. In ihren besten Zeiten beschäftigte die Fabrik dabei über 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hochwertige Stoffe produzierten, welche anschließend sowohl im Inland als auch im Ausland verkauft wurden.

Max Koswig, der die Firma von seiner Familie übernahm, trieb die Expansion und Modernisierung des Unternehmens konsequent voran, indem er in die neuesten Maschinen und Technologien investierte, was zu einer deutlichen Steigerung der Produktionskapazität und Effizienz führte. Er machte das Unternehmen zu einem der führenden Textilproduzenten in Deutschland.

Brand der Textilfabrik und Wiederaufbau

Natürlich war die Zeit nicht immer golden. So wurde das starke Wachstum der Firma kurzzeitig gehemmt, als im August 1898 ein verheerender Großbrand in der Brunnenstraße 9 ausbrach, in welcher sich der Hauptsitz der Fabrik befand. Trotz massiver Löschbemühungen, war der Brand kaum unter Kontrolle zu bringen und das weite Hauptgebäude der Fabrik wurde samt zahlreicher Maschinen, wie rund 100 Webstühlen, nahezu vollständig zerstört. Der Schaden belief sich auf 300.000 Mark, eine immense Summe für die damalige Zeit. Doch der zerstörte Betriebsteil wurde schnell wieder aufgebaut, wobei die neuesten technischen Errungenschaften und sicherheitsrelevanten Erkenntnisse berücksichtigt wurden, um zukünftigen Unglücken gleich vorzubeugen. Man vergrößerte die Dampfkessel- und Kraftanlagen und erweiterte den Hochbau für die Weberei, sodass der Brand zu einem Ereignis für weitere Modernisierungen wurde. Die Firma Koswig konnte somit weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen und beschäftigte 1930 bereits 900 Personen unter der Leitung von Max Koswig.

Vor dem Ersten Weltkrieg: Blütezeit der Feintuchwerke in Finsterwalde

Vor dem Ersten Weltkrieg gab es in Finsterwalde elf Tuchfabriken, von denen das Koswig Werk die größte war. In der Spinnerei arbeiteten 11.632 Spindeln und in der Weberei 286 Webstühle an einer breiten Produktpalette. Man stellte die berühmten schwarzen Tuche sowie bunte Stoffe her und produzierte Croisés, Satins, Mantelstoffe, Damenkleider und auch Tuche für den Export in zahlreiche Länder weltweit. Zu den Abnehmerländern gehörten neben Deutschland selbst auch Staaten in Europa, Nord- und Südamerika, der Orient, Australien und Ostasien. Insgesamt kümmerten sich 38 in- und ausländische Vertreter um den Vertrieb an die interessierte Kundschaft.

Feintuchwerke F.F. Koswig: Der Krieg und das Geschäft

Mit wachsendem Vermögen eröffneten sich Koswig auch weitere Geschäftsfelder, zu denen auch das Immobiliengeschäft gehörte. Noch während des Ersten Weltkrieges hatte Koswig von 1917 bis 1919 zahlreiche Hausgrundstücke erworben, die gewinnbringend weiterverkauft wurden und Grundlage für die Gründung einer eigenen GmbH zur Verwaltung von Grundstücken im Jahr 1921 waren. Die großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, unter denen Finsterwalde während des Krieges litt, begünstigten Koswigs Immobilienkäufe häufig.

Die Auswirkungen des Krieges zeigten sich aber auch innerhalb des Betriebes. Viele Mütter nahmen ihre Kinder mit zur Arbeit, um für den niedrigen, aber lebensnotwendigen Lohn zu arbeiten. Koswig stellte bevorzugt Frauen ein, da ihnen nachgesagt wurde, dass sie schneller mit den Händen arbeiten konnten und üblicherweise ein geringeres Entgelt erhielten. Dies führte zu niedrigeren Produktionskosten für das Unternehmen, brachte aber auch soziale Spannungen mit sich.

Arbeitsbedingungen und soziale Verantwortung

Wie der Ruf seiner Produkte es suggerierte, legte der Betriebsleiter großen Wert auf Qualität, worunter die Arbeiterinnen zu leiden hatten. Fehlerfreies Weben wurde dementsprechend mit 5 % zusätzlichem Lohn vergolten, während Fehler mit Abzügen bestraft wurden. Diese Abzüge waren im Angesicht von acht Mark Wochenlohn beträchtlich. Mit etwa dreißig Mark im Monat gehörten die Gehälter der Angestellten ohnehin zu den niedrigsten aller deutschen Tuchfabriken. Das Jahresgehalt der untersten Einkommensklassen lag bei Koswig im Jahre 1905 bei 300 bis 540 Mark, während ein Bürodiener des Finsterwalder Magistrats zur selben Zeit etwa 1.400 Mark im Jahr verdiente.

Trotz dieser harten Arbeitsbedingungen trat Max Koswig in der Öffentlichkeit als großzügiger Wohltäter auf. Er gründete mehrere Fonds, die seinen Arbeitern zugutekamen, spendete ein Grundstück für die Realschule und rief die Max-und-Anna-Koswig-Stiftung zum Bau eines öffentlichen Kinderheims ins Leben. Der Entwurf für den Bau stammt von dem damals noch jungen Architekten Max Taut. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts war Koswig der wichtigste Mäzen in Finsterwalde. Um seine nicht unerheblichen Spenden tätigen zu können, wurde im Jahr 1903 seine Solvenz überprüft, mit dem Ergebnis, dass sein Vermögen zum damaligen Zeitpunkt bereits 1,7 Millionen Mark betrug.

Nationalsozialisten und der Zweite Weltkrieg wirken auf die Feintuchwerke

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 arrangierte sich Max Koswig mit den neuen Machthabern. Er stand auch in Kontakt mit Hitler und unterstützte die NSDAP finanziell. Die Fabrik machte in den 1930er Jahren weiterhin hervorragende Geschäfte. 1937 betrug der Warenerlös über 3 Millionen Reichsmark, wobei mehr als die Hälfte aus Aufträgen der Wehrmacht stammte. Ein Jahr später stieg der Erlös auf 3,8 Millionen Reichsmark, wovon 2,5 Millionen Reichsmark auf Geschäfte mit der Wehrmacht entfielen, welche damit einen wichtigen Teil der Geschäfte ausmachte. Zu dieser Zeit stellte die Fabrik bis 1943 ausschließlich militärische Stoffe her.

Auch Zwangsarbeiter arbeiteten in der F.F. Koswig Fabrik

Während des Krieges profitierte Koswig auch von der Arbeit von Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen. 1943 arbeiteten insgesamt 112 Personen aus der Sowjetunion, Frankreich, Belgien, Rumänien und Galizien in der Fabrik. Diese lebten in großer Armut, und solidarische Handlungen wie das Reichen von Nahrung und Kleidung wurden bestraft.

Das Ende der Ära Koswig und die Nachkriegszeit

1943 starb Koswigs Schwiegersohn Curt Schaefer, woraufhin Friedrich Wilhelm Schaefer in der Kommanditgesellschaft nachfolgte. Zwei Monate zuvor war die Fabrik jedoch bereits stillgelegt worden, da dort nun kriegsbedingt Teile für Flugzeugmotoren hergestellt wurden und die Belegschaft sowie die Kriegsgefangenen zur „FIMAG“ dienstverpflichtet wurden.

Nach dem Einmarsch der Roten Armee wurden ehemalige Mitarbeiter der Fabrik beauftragt, einen Neuanfang zu organisieren. Dies war so erfolgreich, dass ein Jahr nach Kriegsende wieder über 1 Million Reichsmark Umsatz erwirtschaftet werden konnte. 1948 wurde eine Enteignungsurkunde ausgestellt, die der mittlerweile 93-jährige Max Koswig zwar vehement ablehnte, die jedoch vollzogen wurde. Dies beendete 154 Jahre Finsterwalder Tuchproduktion unter dem Namen Koswig. Max Koswig lebte noch ein Jahr nach der Enteignung und starb 1949 im Alter von 95 Jahren.

Gemeinsam mit zwei weiteren Fabriken ging der Betrieb 1951 im neugegründeten „VEB Feintuch Finsterwalde“ auf. Trotz der umfangreichen Modernisierungen und Produktionssteigerungen während der DDR-Zeit wurde der Betrieb nach der Wiedervereinigung und der Übernahme durch die Treuhandanstalt Berlin allmählich stillgelegt. 1992 wurden die letzten Maschinen abgeschaltet und das Inventar größtenteils nach Asien verkauft.

Die verlassene Textilfabrik bei Berlin heute

Die verlassene Fabrik der Feintuchwerke F.F. Koswig ist heute ein großer Lost Place in der Nähe von Berlin und Dresden. Trotz des Verfalls sind die imposanten Backsteingebäude unter Denkmalschutz gestellt. Neben den Schäden durch Brände und Plünderungen, locken die Ruinen der verlassenen Feintuchwerke Koswig heute Fotografen und Geschichtsinteressierte aus ganz Deutschland an. Schließlich sind die Überreste der einst größten Deutschen Textilfabrik, nach wie vor äußerst beeindruckend und sehenswert, geprägt von wirtschaftlichem Aufstieg, technischer Innovation und den Herausforderungen politischer Umbrüche. Damit sind sie zugleich ein Mahnmal und eine Erinnerung an die Vergangenheit und das Zusammenspiel von Industrie und Politik. Leider ist ein Teil bereits abgerissen worden, während ein verbleibender Teil von starkem Vandalismus geprägt ist.

http://blha-recherche.brandenburg.de/detail.aspx?ID=193368
https://brandenburgikon.net/index.php/de/
?option=com_content&view=article&id=431&Itemid=823
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/
A5JMGIOZESUZDSBMR76SMWYSKUHM7PDZ

Weitere Informationen

Einschätzung des Ortes

Bekanntheit
40%
Gefahr
55%
Vandalismus
75%
Schwierigkeit des Betretens
10%

Adresse von Feintuchwerke F.F. Koswig

51°37’42.9″N 13°41’58.4″E
51.6285700, 13.6995541

Feintuchwerke F.F. Koswig Wegbeschreibung

An das Gelände grenzt ein Solarpark, der von den Straßen Brunnenstraße, Grüner Weg, Tuchmacherstraße und An der Brügerheide umgeben wird. Die ehemalige Tuchfabrik Finsterwalde liegt am westlichen Stadtrand von Finsterwalde.

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Eine riesige, verlassene Textilfabrik zwischen Leipzig, Berlin und Dresden.. Es ist ein ganz besonderer Lost Place. Wir haben ihn dokumentiert und über Hintergründe recherchiert.
An das Gelände grenzt ein Solarpark, der von den Straßen Brunnenstraße, Grüner Weg, Tuchmacherstraße und An der Brügerheide umgeben wird. Die ehemalige Tuchfabrik Finsterwalde liegt am westlichen Stadtrand von Finsterwalde.Beim Betreten solltest du dich dennoch über geltene Rechte informieren und den Lost Place nicht alleine betreten.
Du findest diesen Ort unter 51°37’42.9″N 13°41’58.4″E. Bitte informiere dich zuvor über Rechte und Gefahren.

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