Das verlassene Bocholter Brauhaus, zu dem ein großer Veranstaltungssaal gehörte, mitten im Zentrum der Stadt Bocholt. Die Brauerei in Bocholt stellte in dem ehemaligen Schützenhaus ihr eigenes Bier mit dem Namen Georgius her, das einen Alkoholgehalt von 4,5% hatte.
Die Firmen hinter dem ehemaligen Brauhaus
Früher war das Brauhaus primär ein Schützenhaus, das dem Georgius-Schützenverein als neues Vereinsheim für Veranstaltungen diente. Später wurde das Gebäude mehrfach renoviert, vergrößert und zum gastronomischen Betrieb ausgebaut.
Schützenhaus GmbH Bocholt
Am 26.03.1969 wurde die Schützenhaus GmbH Bocholt für die fortlaufende Verwaltung des Schützen- und Brauhaus Bocholt gegründet. Inventar der Schützenhaus GmbH war „(die) Unterhaltung, Ausbau, Erweiterung, Erneuerung und der Betrieb gastronomischer, hotelmässiger Einrichtungen sowie die Durchführung von Großveranstaltungen auf dem Gelände des eingetragenen Schützenvereins St.-Georgius“.
Am 18.10.2001 wurde die Schützenhaus GmbH mit der Bocholter Brauhaus GmbH verschmolzen.
Bocholter Brauhaus GmbH
Hinter der Immobilie und dem gastronomischen Betrieb stand die Bocholter Brauhaus GmbH. Gegründet am 1.12.1997, hatte sie folgendes Unternehmensinventar: „Der Erwerb von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten, die Renovierung und der Betrieb des Schützenhauses in Bocholt, insbesondere in Form von Gastronomie, Veranstaltungen und zugehörigen Dienstleistungen sowie das Brauen von Bier. […]“. Hieraus geht hervor, dass sie die Immobilie verwaltete, den gastronomischen Betrieb durchführte und zugleich Veranstaltungen organisierte. Außerdem zählte das Brauen des eigenen Hausbieres zu dem Inventar der Firma, was eine Änderung zur vorherigen GmbH war.
Georgius-Brauerei GmbH
Möglicherweise um das Hausbier auch außerhalb des Brauhauses verkaufen zu können, wurde am 05.10.2004 die Georgius-Brauerei GmbH mit einem Stammkapital von 50.000DM gegründet. Diese dritte GmbH wurde am 11.09.2012 ebenfalls mit der Bocholter Brauhaus GmbH verschmolzen.
Musik und Veranstaltungen im Bocholter Brauhaus
Im Bocholter Brauhaus gab es einen großen Saal mit einer Bühne. Rund 700 Gäste konnten hier einen Sitzplatz bekommen und mit Künstlern schöne Abende feiern. Unter anderem traten hier Götz Alsmann, Jürgen Becker und sogar die Höhner bei Konzerten im Brauhaus auf. Auch Veranstaltungen wie die Edelstein- & Mineralienbörse fanden im Brauhaus statt.
Ausstattung des Georgius Schützenhauses
Das Brauhaus war ein großes Gebäude, das Platz für zahlreiche Gäste bot. In dem neuen Wintergarten, der 1997 hinzukam und dem großen Saal (480m²) konnten viele Gäste unterkommen und dort schöne Nachmittage und Abende verbringen. Für Veranstaltungen gab es eine Bühne, auf der regelmäßig Konzerte von großen und kleineren Künstlern stattfanden. Für Gruppen standen sogar drei Kegelbahnen zur Verfügung und vor dem Haus gab es eine Vogelstange des Schützenvereins.
Geschichte des verlassenen Bocholter Brauhauses
Das verlassene und mittlerweile abgerissene Brauhaus Bocholt hat eine lange Geschichte hinter sich. Sie begann mit Schützenfesten in Zelten und endete mit einem Insolvenzverfahren.
Baubeginn für das Schützenhaus
Bei einer Neuorganisation des Vereins 1861 wurde zur Sicherung und zum Fortbestand des Vereinslebens, der Bau eines festen Schützenhauses beschlossen. Zuvor dienten große Schützenzelte als Versammlungsort bei den jährlichen Feierlichkeiten. Der Bau wurde umgehend begonnen und nach Plänen des Architekten Franz Verres durchgeführt. Innerhalb weniger Monate war die Errichtung abgeschlossen und so konnte das Schützenhaus bereits am 31.08.1862 bei einem Jubiläumsschützenfest eingeweiht werden.
Ausbau und Renovierung
Bei einem Sturm im Jahr 1868 stürzte die Giebelwand des Hauses nach einem Sturm ein. Der Verein nahm das zum Anlass, um das Schützenhaus um acht Meter Breite zu vergrößern. Bald darauf wurde außerdem eine Kegelbahn eingebaut. 1891 wurde der Außenbereich mit einer Veranda erweitert.
Zu Beginn war es ein Gebäude aus Backstein, das ständig erweitert und verbessert wurde. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Georgius Brauhaus im Jahr 1950 wieder neu aufgebaut. Fortan war es nahezu ununterbrochen geöffnet, bis es im Jahr 1997 großzügig erweitert, teilsaniert und modernisiert wurde. Bei dieser Erweiterung wurde unter anderem ein großer Wintergarten angebaut, sodass sich die Nutzfläche des Brauhauses auf 4.600 m² erhöhte.
Insolvenz und Schließung
Erst schloss der Veranstaltungssaal, kurz darauf auch die Gastronomie. Am 30.12.2014 war vom Amtsgericht Münster das Insolvenzverfahren gegen die Bocholter Brauhaus GmbH eröffnet worden.
Pächter Frank Hellwig erklärte während einer derzeit großen Renovierung, nur wenige Monate vor dem Insolvenzverfahren, das À-la-carte-Geschäft sei vorübergehend eingestellt worden. Zuvor waren bereits die laufenden Renovierungsarbeiten aus Geldgründen pausiert worden.
Für die Bocholter Brauhaus GmbH wurde dann kurze Zeit später ein Insolvenzantrag gestellt. Das Brauhaus öffnete nie wieder. Doch wie kam es überhaupt so weit?
Dringend erforderliche Renovierungen blieben aus
Pächter Hellwig hatte das Brauhaus 2011 übernommen, da er darin großes Potential gesehen hatte und es aus seinem derzeit schlechten Zustand herausholen wollte. Bereits vor drei Jahren hatte es einen „Renovierungsstau“ gegeben. Viele notwendige Arbeiten blieben aus, sodass es sogar an mehreren Stellen des Hauses ins Gebäude geregnet habe, so Hellwig.
Zwangsschließung aus Sicherheitsgründen
Im Juli 2012 sperrte die Stadt Bocholt den Brauhaus-Saal wegen Problemen mit der Statik und des Brandschutzes. Seither wurde er nie wiedereröffnet und Hellwig war gezwungen, das Gebäude schnellstmöglich zu renovieren.
Eine Machbarkeitsstudie offenbarte Möglichkeiten, den Komplex umzubauen und den Saal für bis zu 1200 Gäste zu vergrößern. Allerdings war derzeit unklar, woher das notwendige Geld stammen sollte und wer die geschätzten Folgekosten von bis zu einer halben Million Euro jährlich, tragen sollte.
Hellwig betrachtete die Studie mit Skepsis, da mit 400 Veranstaltungen und sonstigen Belegungen pro Jahr kalkuliert worden sei, was er selbst für überaus optimistisch gehalten habe. „Wenn man die Hälfte schafft, dann ist man gut.“, so der damalige Pächter.
Dennoch begann Hellwig die Renovierungsarbeiten und opferte viel Zeit und Liebe für sein Brauhaus. 2014 war dann allerdings klar, dass die Pläne einfach nicht zu schaffen waren und es an Geld mangelte. Die Bocholter Brauhaus GmbH stellte den Insolvenzantrag. Anschließend wurden Gespräche mit der Stadtsparkasse, der Stadt und dem Georgius-Schützenverein, welcher der Grundstückseigentümer war, geführt. Es wurde viel diskutiert und darüber nachgedacht, was aus der Immobilie zukünftig werden sollte. Auch dringend benötigte Sanierungspläne für knapp 14 Millionen Euro standen im Raum.
Hellwig äußerte sich mit Wehmut: „Es war schön, so ein Haus in den Händen gehabt zu haben. Aber es hat leider nicht funktioniert.“.
Ungewisse Zukunft für das Bocholter Brauhaus & Kampf um Förderungen
Die Stadt war anfangs noch sehr daran interessiert, das Brauhaus wiederzubeleben. Es war ein wichtiger Veranstaltungsort mit seinem großen Saal, welchen die Stadt sogar noch vergrößern wollte.
Hoffnung auf Zuschüsse zur Renovierung
Mitte der 2010er Jahre wurden mehrere Vorschläge zur Sanierung und Wiedereröffnung des Brauhauses vorgestellt, die unterschiedliche Finanzierungskonstrukte und Zuschüsse beinhalteten. So warb die Stadtpartei Bocholt im Jahr 2015 für einen Vorschlag des Bocholter Unternehmers Jürgen Theißen, welcher das Brauhaus auf eigene Kosten sanieren und dafür einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 180.000€ wollte. Für das Land wäre dieser Weg natürlich günstig gewesen, da der Großteil in Form von Sanierungskosten durch Theißen übernommen worden wäre. Im Gegenzug für die jährlichen Zuschüsse hätte Theißen der Stadt den großen Veranstaltungssaal für jegliche Events zur Verfügung gestellt. Da das Grundstück dem Schützenverein gehörte, dieser in der Bürgerstiftung Mitglied war und es allgemein recht viel Skepsis über die Finanzierung durch Theißen gab, wurde der Vorschlag nicht angenommen.
2017 beschloss die Bocholter Bürgerstiftung schließlich den jährlichen Zuschuss in Höhe von 180.000€ für das Bocholter Schützenhaus über einen Zeitraum von 30 Jahren. Voraussetzung dafür war allerdings noch ein positiver Förderbescheid des Landes NRW, welches 10 der 16 Millionen Euro an Sanierungskosten übernehmen sollte. Der Betrag von 16 Millionen Euro stammt aus frühen Machbarkeitsstudien und beinhaltet den Erwerb des Grundstücks sowie das Erbpachtrecht aus dem Insolvenzverfahren.
Streichung von Förderungen für das Brauhaus Bocholt
Über einen Zeitraum von 30 Jahren waren zuvor also Fördermittel von 5,4 Millionen Euro begünstigt worden, die nun infolge nicht gezahlter Grundsteuern in Höhe von 90.000€ im Jahr 2018, gestrichen worden sein sollen. In den Medien fanden verschiedene Schuldzuweiseungen statt, die einerseits die Bürgerstiftung, andererseits die Stadt beschuldigten. Inhaber des Grundstücks war zu dieser Zeit der St.-Georgius-Schützenverein, der erst nach einer Zusage über einen staatlichen Zuschuss an die Bürgerstiftung, das Grundstück an diese verkauft hätte.
Anschließend hätte die insolvente Bocholter Brauhaus GmbH den Erbpachtvertrag für das Gebäude an die Stiftung übertragen. Damit waren der staatliche Zuschuss an die Bürgerstiftung, deren Erwerb des Grundstücks und die Übertragung des Erbpachtvertrages, Bedingung für neues Vermögen der GmbH. Mit diesem Vermögen hätte die Firma jegliche ausstehende Grundsteuern nachzahlen und andere Altschulden begleichen können.
Die Hoffnung für das Bocholter Vereinshaus schwindet
Ende 2018 gab es noch Hoffnung, das Schützenhaus im Jahr 2022 zum 800-jährigen Stadtjubiläum der Stadt Bocholt wiederzueröffnen, doch bislang gab es seit 2017 noch keine Beantragung der Stadt beim Land. Auch im Mai 2019, als verkündet wurde, dass die Stadt ihre Großprojekte priorisieren müsse, weil die Finanzierungsunterstützung des Landes nicht für alle Bauvorhaben möglich sei, zeigte sich die Bürgerstiftung noch zuversichtlich, berichtete das Bocholter Borkener Volksblatt.
Thema in einer Wahlwerbung, doch weiterhin keine Lösung
Februar 2020 war das Brauhaus nach langsam abgeflachter Berichterstattung wieder Thema in der Politik. So äußerte der damalige Bürgermeisterkandidat Thomas Kerkhoff am Parteitag der CDU großes Interesse an der Wiederaufnahme des Betriebes des Brauhauses. Er veräußerte, dass der gegenwärtige Zustand des Gebäudes derartig schlecht sei, dass eine Teilsanierung, eine Rekonstruktion der Fassade oder gar ein vollständiger Neubau erforderlich seien. Er forderte eine weitere Machbarkeitsstudie, doch mehr geschah offenbar nicht.
Kein Geld für das Schützenhaus – die Pläne werden hinfällig
Im März 2020 wurde dann klar, dass die Stadt ihre Prioritäten anders gelegt hatte, sodass die Ratsbeschlüsse hinfällig wurden, obwohl alles ideal, profitabel und zukunftssicher zu sein schien. Für die Stadt war es keine Option, ihre anderen aktuellen Projekte und das Brauhaus zu finanzieren.
Ein neuer Investor für das Bocholter Brauhaus
Mitte 2022 fand der St.-Georgius-Schützenverein Bocholt endlich einen Investor, der Interesse an dem Brauhaus bekundete. Dabei handelte es sich um die Steakhauskette Timberjacks aus Göttingen. Timberjacks plante, den Erbpachtvertrag der Bocholter Brauhaus GmbH zu übernehmen und ein großes Restaurant mit 300 Plätzen auf dem Gelände zu errichten. Rund 7,5 Millionen Euro seien laut Firmenchef Thomas Kemner dazu geplant gewesen. Die Steakhäuser von Timberjacks zeichnet ein Holzbau-Stil aus, bei dem diverse Restaurants aus dicken, ungeglätteten Baumstämmen gebaut werden. Hintergrund des Holzbau-Stils mit Bäumen aus dem Schwarzwald, sei der Aspekt der Nachhaltigkeit.
Timberjacks wäre der Gnadenstoß für’s Bocholter Brauhaus
Leider war es Teil des Plans von Timberjacks, das bestehende Gebäude des bekannten Bocholter Brauhauses abzureißen. So erklärte Berthold Blesenkemper (Vorsitzender des Schützenvereins), der Verein sehe „[…] das Engagement von Timberjacks mit einem lachenden und eine weinenden Auge“. Weiter erklärt Blesenkemper: „Auf der einen Seite sind wir froh, endlich eine zukunftssichere und attraktive Lösung gefunden zu haben. Genauso bedauern wir aber zutiefst, dass unser traditionsreiches Schützenhaus nach mehr als sieben Jahren des Verfalls, in denen wir die Immobilie in der Hoffnung auf eine gemeinsame Bocholter Lösung mit großem Saal immer wieder freigehalten und sogar zum Verkauf angeboten haben, wohl leider abgerissen werden muss“.
Zwangsversteigerung und Abriss des Georgius Schützenhauses
Das Amtsgericht Bocholt hatte für den 26.08.2022 einen Termin für die Zwangsversteigerung des Erbpachtvertrages angesetzt. Ein Gutachter setzte den Wert des Vertrags wegen des Zustands der Immobilie auf null Euro. Am 26.08.22 erwarb ihn Thomas Kemner, der Chef der Steakhauskette, für 5.500€ als einziger Bieter. Mitte August 2023 begann der Abriss des Schützenhauses. Bereits Mitte September war das Schützen- und Brauhaus Bocholt vollständig abgerissen und lediglich das alte Schild steht noch an der Zufahrt.
Weitere Schlagzeilen durch YouTube Lost Placer
Am 10.08.2020 titelte das Bocholter Borkener Volksblatt „Youtuber steigt illegal ins Bocholter Brauhaus ein“. In dem Beitrag wurde erwähnt, dass ein Content Creator, dessen Video „[…] innerhalb weniger Tage mehr als 100.000 Zuschauer (hatte)[…]“ aufgrund des Videos eine Strafanzeige erhalte. Offensichtlich wird sich reaktiv um das verlassene Brauhaus gekümmert. Dass die Eingänge damals schlichtweg schlecht beziehungsweise gar nicht versperrt waren, wurde zwar von dem Creator erklärt, nicht aber in dem Beitrag erwähnt. Kurze Zeit nach den medialen Reaktionen wurde der Bauzaun um das Gelände erweitert, um weitere unerwünschte Besucher und YouTube-Creator abzuhalten.
Quellen
madeinbocholt.de/vorerst-wohl-keine-foerdermittel-fuer-das-brauhaus-unser-kommentar-einfach-nur-traurig
madeinbocholt.de/timberjacks-plant-barbeque-restaurant-auf-dem-bocholter-schuetzenhaus-gelaende
borkenerzeitung.de/lokales/kreisborken/Bocholter-Brauhaus-wird-abgerissen-427348.html
borkenerzeitung.de/lokales/kreisborken/Abriss-des-Bocholter-Brauhauses-hat-begonnen-490036.html
georgius-online.de/erbbaurecht-versteigert-endlich-kann-es-weitergehen
buergerstiftung-bocholt.de/stadtsparkasse-stellt-plaene-fuer-schuetzenhaus-vor
buergerstiftung-bocholt.de/pressemitteilung-die-buergerstiftung-bocholt-wuenscht-sich-eine-klare-positionierung-der-politik-zu-ihrem-konzept-zur-reaktivierung-und-zum-betrieb-des-bocholter-schuetzenhauses/
bbv-net.de/Lokales/Bocholt/Brauhaus-Zuschuss-Buergerstiftung-gibt-Hoffnung-nicht-auf-192503.html
nrz.de/staedte/emmerich-rees-isselburg/brauhaus-ist-geschlossen-id9025869.html