Das Sauerstoffwerk II in Peenemünde, auf der Insel Usedom, ist ein bedeutendes Relikt aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und beschreibt den Fortschritt der Forschung für Raketenantriebe, wie für die V2-Rakete – heute liegt das Gelände brach und ist ein historischer Lost Place auf Usedom.
Funktion des Sauerstoffwerks II in Peenemünde
Das massive Hauptgebäude des Sauerstoffwerks, das einst zur Heeresversuchsanstalt Peenemünde gehörte, diente der Produktion von flüssigem Sauerstoff, der für den Antrieb der A4-Raketen, besser bekannt als V2-Raketen, unerlässlich war.
Gründung und Betrieb
Mit dem Bau des Sauerstoffwerks II wurde Ende 1939 begonnen, um den wachsenden Bedarf an Treibstoffkomponenten für die Raketenentwicklung zu decken. Das Werk wurde unter der Leitung der Firma Messer & Co. aus Griesheim bei Frankfurt errichtet. Die Technologie basierte auf dem Linde-Verfahren, das Luft bei -183 °C in ihre Bestandteile zerlegt und Sauerstoff verflüssigt. Diese Methode war besonders energieintensiv, sodass das Sauerstoffwerk bis zu 22 der 30 Megawatt des benachbarten Kraftwerks Peenemünde beanspruchte.
Der Bau des Sauerstoffwerks war ein Großprojekt, das unter Einsatz von Zwangsarbeitern, darunter KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene, realisiert wurde. Am 27. Juli 1942 nahm das Sauerstoffwerk II den Betrieb auf und produzierte bis Kriegsende täglich bis zu 13 Tonnen flüssigen Sauerstoff. Dieser wurde zusammen mit 75%igem Alkohol als Treibstoff für die Raketen verwendet.
Architektur und Bauweise
Das Sauerstoffwerk II beeindruckt durch seine außergewöhnliche Architektur. Der Bau in Stahlbeton-Skelettbauweise ist mit dunkelroten Ziegelsteinen verklinkert und weist eine sakrale Struktur auf. Der fünfschiffige, asymmetrische Grundriss mit neun Jochen erinnert an den einer Basilika, und das Gebäude erreicht eine Höhe von knapp 21 Metern. Diese Bauweise sollte nicht nur funktional sein, sondern auch ein monumentales Erscheinungsbild vermitteln.
Aufgabe und Funktionswandel
Nachdem die Nutzung des Sauerstoffwerkes aufgegeben wurde, veränderte sich die Sauerstofffabrik Usedom unter den Sowjets.
Nachkriegszeit und Demontage
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Sauerstoffwerk II von der Sowjetischen Militäradministration teilweise demontiert. Die technische Ausstattung wurde abgebaut und in Bützow nahe Güstrow für den Aufbau eines neuen Sauerstoffwerks wiederverwendet. Versuche, das Gebäude vollständig zu sprengen, scheiterten aufgrund seiner robusten Konstruktion. Stattdessen wurden Teile des Gebäudes während der DDR-Zeit als Lagerräume genutzt.
Gegenwart und Zukunft
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands kam das Sauerstoffwerk in den Besitz der Bundesrepublik. 2004 wurde es versteigert, fand jedoch zunächst keinen Käufer. Später wurde es für einen Preis unter dem Mindestgebot verkauft. Trotz verschiedener Sicherungsmaßnahmen steht das Gebäude weiterhin als Ruine und wurde 2013 von der Gemeinde Peenemünde von einem Berliner Unternehmer zurückgekauft.
Das Sauerstoffwerk steht unter Denkmalschutz, was seinen Erhalt sichert, jedoch konkrete Sanierungsarbeiten erschwert. Im Jahr 2022 erwarb die Nürnberger Immobilienfirma Terraplan das Objekt mit dem Plan, es in Ferienwohnungen und öffentliche Räume umzuwandeln. Geplant ist, die Einbauten in Holzbauweise auszuführen, um den Charakter der Halle nicht zu zerstören.
Bedeutung und Herausforderungen
Das Sauerstoffwerk II ist nicht nur ein technisches Denkmal, sondern auch ein wichtiger Teil der Geschichte Peenemündes und der Raketentechnologie. Seine Erhaltung steht im Spannungsfeld zwischen Denkmalschutz, wirtschaftlichen Interessen und den Herausforderungen, die eine Sanierung eines solchen Bauwerks mit sich bringt. Ob das Sauerstoffwerk in Zukunft zur Peenemünder Denkmal-Landschaft gehören wird, bleibt offen, doch seine historische Bedeutung ist unbestritten.
Beitragsbild: Darkone (Wikipedia), CC BY-SA 2.0