In Werdohl, einem grünen Ort entlang der Lenne, im Osten Wuppertals, gibt es eine verlassene Fabrik, deren Geschichte im Netz kaum belegt ist. In diesem Artikel führen wir unsere Rechercheergebnisse auf und zeigen, wieso dieser Lost Place so unbekannt ist.
Geschichte der verlassenen Fabrik
Dass sich heute so wenige Informationen zu der verlassenen Fabrik an der Lenne finden lassen, ist besonders darauf zurückzuführen, dass sie schon sehr alt ist und früh außer Betrieb genommen wurde. Seit den frühen 2010er Jahren wurde sie immer beliebter in der Urbex Szene, was besonders auf die großen Maschinen, die im Inneren verblieben, zurückzuführen ist. Die Geschichte der heute verlassenen Fabrik, geht bis in die frühen 1870er Jahre zurück, als sie direkt am Ufer der Lenne auf einer Halbinsel zum Obergraben erbaut wurde.
Wie bereits in unserem Artikel über das Walzwerk Basse & Selve beschrieben, das sich nur wenige Kilometer weiter entlang der Lenne befindet, besaß Hermann Selve die Lizenz zur wirtschaftlichen Nutzung des Wassers aus der Verse. Solche Lizenzen wurden an Fabriken vergeben, die große Mengen Wasser benötigten, um produzieren zu können. In der verlassenen Fabrik in Werdohl diente das Wasser dem Betrieb von Dampfmaschinen und speziellen Hämmern, die mit Wasserkraft angetrieben wurden.
Das war die Fabrik Kugel & Berg
Die Fabrik, die an der Lenne liegt, wurde früher von Kugel & Berg betrieben, einer Drahtfirma aus Werdohl. Später hieß die Firma nur noch Carl Berg. Die Firma beschäftigte rund 200 Mitarbeiter und wurde 1861 gegründet.
Kugel & Berg produzierte unter anderem allgemeine Dratgeflechte, die sie teils zu Fußmatten weiterverarbeiteten. Außerdem gehörten diverse Rohprodukte, die verzinkt oder verzinnt wurden, sowie alle möglichen Stangen und Wellen zum Portfolio. Das Fachgebiet der Firma lag auf gezogenen Drähten, Ringen und Stangen sowie insbesondere auf nahtlos gezogenen Rohren.
Geschichte der Fabrik in Werdohl
Die Firmengeschichte ist komplex, wie die gesammte Metallindustrie im Sieger- und Sauerland, und von einigen wenigen Familien über Generationen geprägt.
Der spätere Eigentümer Carl Theodor Berg erwarb im Jahr 1839 ein Hammerwerk im Rahmedetal. Er stattete dieses 1851 mit einem Reckhammer aus, woraufhin die Firma Berg & Becker mit einem Partner in Eveking gegründet wurde. Reckhämmer waren eine verbreitete, mechanische Lösung, Wasserkraft auf Hämmer zu übertragen. Dabei arbeitete Carl Berg später auch mit dem Lüdenscheider Fabrikanten Moritz Kugel zusammen.
Gründung der Fabrik in Werdohl durch Hugo Heinemann
Hugo Heinemann war ein wichtiger Akteur, der den Grundstein der Fabrik an der Lenne in Werdohl legte. Heinemann war Baumeister für Wasser-, Wege- und Eisenbahnbau und war im Rahmen seines Berufes viel mit der Sicherung Werdohls vor Hochwassern durch die Lenne beschäftigt. Da er sich zudem mit der Theorie der Dampfbildung, mit Druckkesseln und Hydrodynamik beschäftigte, konnte er gemeinsam mit Partnern im Jahr 1857 eine Fabrik, die auf Dampfmaschinen und Reckhämmern aufbauen sollte, errichten. So wurden ab 1857 erste Metallstücke mithilfe von Wasserkraft und Dampfmaschinen an der Lenne bearbeitet.
Übernahme der Fabrik durch Kugel & Berg
Mit Moritz Kugel übernahm Berg im Jahr 1860 die Fabrik von Heinemann, doe auf gleichen Technologien basierte und Wasserkraft zur Produktion verwendete. Kugel führte bis 1871 eine weitere Fabrik und war auch nach der Übernahme weiterhin auf eigenem Fuße geschäftstätig. So gründete er 1907 die Firma Gebrüder Kugel & Fink mit einem Geschäftspartner aus Lüdenscheid.
Heinemanns Fabrik wurde nach der Übernahme in die 1864 gegründete oHG Kugel & Berg, die Eisendrahtwaren herstellte, übernommen. Die beiden Inhaber waren gemeinsam sehr erfolgreich und über ihre Arbeit hinaus, waren sie später sogar familiär verbunden, als Kugels Söhne Carl und Rudolf die Töchter von Carl Theodor Berg heirateten.
Das Ziel der Firma lag auf der Produktion von Messingwaren und -draht. Die Firma konnte ohne riesige Energiekosten schnell größere Umsätze erzielen und wurde 1873 zu Carl Berg mit Sitz in Eveking umgebannt. In den 1890er Jahren wurde die Produktion erheblich erweitert, in dem Geschoßhülsen, Rohmünzen und weitere Kleinwaren produziert wurden. Es entstanden Zusammenarbeiten mit den Erfindern David Schwarz und Graf Zeppelin bei der Entwicklung von Luftschiffen.
Die Firma wuchs über die Jahre immer weiter und zählte zu den größten Fabriken in Werdohl. Carl Berg ließ sogar ein großes Ledigenheim im Jahr 1910 errichten, welches heute das Rathaus der Stadt ist.
Der mit der Tochter von Carl Berg verheiratete Sohn Rudolf Kugel, wurde 1885 Alleininhaber der Firma, bis er diese nach seinem Tod ging Carl Berg überließ. 1915 wurde die Firma zur Carl Berg AG. Im Jahre 1932 kam es zur Auflösung und zu einer Neugründung mit dem Ziel, fortan Bandeisen herzustellen.
Quellen
Danke an Michael Gnatzy und Bernd Thier und den Geschichts- und Heimatverein Lüdenscheid e.V.
wertmarkenforum.de/werdohl-drahtzieherei-kugel-berg-essenmarke/
www.deutsche-biographie.de/sfz7327.html
de.wikipedia.org/wiki/Carl_Berg_(Luftschiffbauer)
www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/4F6ZUSZ4ACP2ITBAYSXZLDDA6NUDPE7H
www.maerkisches-sauerland.com/das-maerkische-sauerland/unsere-menschen/carl-berg/
2 Antworten
Beachtet beim betreten dass das Wasserwerk am anderen Ende der Insel in Betrieb ist und wohl auch Kameraüberwacht ist.
Nie erwischt worden. Easy Lostplace!